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Rechte mit zweifelhaftem Ruf
Die venezolanische Oppositionsführerin María Corina Machado hat den Friedensnobelpreis bekommen
Nun hat Donald Trump den von ihm heiß ersehnten Friedensnobelpreis also nicht bekommen. Das ist eine gute Nachricht. Stattdessen ehrt das Nobelpreiskomitee die venezolanische Oppositionsführerin María Corina Machado »für ihren Kampf um einen gerechten und friedlichen Übergang von der Diktatur zur Demokratie«. Sie habe die gespaltene Opposition in der Forderung »nach freien Wahlen und einer repräsentativen Regierung« geeint. Was das mit dem Gedanken Alfred Nobels zu tun hat, den Preis solle bekommen, wer »am meisten oder am besten auf die Verbrüderung der Völker und die Abschaffung oder Verminderung stehender Heere sowie das Abhalten oder die Förderung von Friedenskongressen hingewirkt hat«, sagte das Komitee nicht.
Es ist unbestritten, dass sich Machado im vergangenen Jahr dafür eingesetzt hat, die Regierung von Nicolás Maduro über Wahlen abzusetzen. Sie selbst durfte unter vorgeschobenen Gründen nicht antreten. Ihrem Ersatzkandidaten Edmundo González wurde die Wahl nach allen vorliegenden Indizien geraubt. Geht der Nobelpreis also an eine aufrechte Kämpferin für Freiheit und Demokratie und ist somit ein Kontrapunkt zu Trump, wie nicht wenige Kommentator*innen etwa in den sozialen Medien jubeln? Mitnichten.
An Putschversuch gegen Hugo Chávez beteiligt
Tatsächlich hat Machado, die aus einer Oberschichtfamilie stammt, in Venezuela in den vergangenen 25 Jahren oft eine recht zweifelhafte Rolle gespielt. Bekannt wurde sie im Rahmen des Machtkampfes zwischen den alten Eliten und der 1998 demokratisch gewählten Regierung unter Hugo Chávez.
Der populäre Präsident hatte ein soziales Reformprogramm aufgelegt, das früher als Teil linker Sozialdemokratie bezeichnet worden wäre. Als die rechte Opposition im April 2002 kurzzeitig gegen Chávez putschte, unterzeichnete auch Machado als damalige Vizepräsidentin der zivilgesellschaftlichen Organisation Súmate das sogenannte Carmona-Dekret. Dieses hätte umgehend die Regierung und die Richter des Obersten Gericht abgesetzt, das Parlament aufgelöst und die 1999 per Referendum verabschiedete Verfassung außer Kraft gesetzt.
Nach dem Scheitern des Putsches gewann Chávez zwei Jahre später ein transparentes Abberufungsreferendum. Es war wiederum Machados Organisation Súmate, die ohne Belege von Betrug sprach und auf weitere Eskalation statt demokratische Befriedung setzte. Innerhalb des breiten Oppositionslagers blieb Machado als Aktivistin wie auch als Parlamentsabgeordnete jahrelang eine Randfigur.
Verfechterin harter US-Sanktionen
2014, schon unter Chávez’ Nachfolger Maduro, stellte sich Machado gemeinsam mit anderen Politikern wie Leopoldo López offen gegen die damalige Strategie, einen Machtwechsel über Wahlen herbeizuführen. Es folgten monatelange, teils gewalttätige Straßenproteste. Nachdem sich Juan Guaidó 2019 mit Rückendeckung von Donald Trump zum »Interimspräsidenten« erklärt hatte, drängte Machado auf eine härtere Gangart.
So setzte sie sich für eine Verschärfung der US-Sanktionen ein, die vor allem die einfache Bevölkerung treffen, und forderte die internationale Staatengemeinschaft offen zur Androhung militärischer Gewalt auf, um Maduros Abgang zu erzwingen. Viele Menschen aus dem ärmeren Teil der Bevölkerung haben in Venezuela daher starke Vorbehalte gegen Machado, selbst wenn sie die immer autoritärere Regierung Maduros mittlerweile ablehnen.
Nicht zuletzt torpedierte die Friedensnobelpreisträgerin innerhalb des Oppositionslagers jegliche Versuche, den politischen Konflikt und die Krise über einen Dialogprozess anzugehen. Dass an dessen Scheitern auch die Regierung ihren Anteil hatte, liegt auf der Hand. Aber Machados Lager machte sich nicht einmal die Mühe, unter Vermittlung international anerkannter Mediatoren wie Norwegen nach Lösungen zu suchen.
Politisch bewegt sich Machado im Umfeld Trumps und Mileis
Sicher trägt zu Machados heutigem Ruhm bei, dass sie bereits seit über 20 Jahren in der Opposition aktiv ist und dabei immer wieder mit repressiven Maßnahmen zu kämpfen hatte. Trotz anhaltender Erfolglosigkeit ist sie stets am Ball geblieben, hat im vergangenen Jahr aus wohl taktischen Gründen auf Wahlen gesetzt und ihren Diskurs abgemildert.
Doch muss man kein Freund von Maduro sein, um anzuzweifeln, ob dies für einen Nobelpreis reichen sollte. Auf internationaler Ebene bewegt sich Machado im Umfeld Donald Trumps, des argentinischen Präsidenten Javier Milei und der ultrarechten spanischen Vox-Partei. Sobald Venezuela »demokratisch und frei« sei, werde das Land zum »strategisch wichtigsten US-Verbündeten in der Region«, erklärte sie im Juni vor US-Investoren und versprach Geschäfte »im Umfang von 1,7 Billionen US-Dollar«.
Eine Nobelpreisträgerin Machado ist also alles andere als ein Kontrapunkt zu Trump. Der US-Präsident indes schickt seit Wochen Drohungen in Richtung Maduro, lässt vor Venezuela das Militär auffahren und unter dem Deckmantel der Drogenbekämpfung Boote in der Karibik versenken. Internationale Rechtsexperten sprechen von außergerichtlichen Hinrichtungen.
Von Machado kam dazu kein kritisches Wort. Dafür lobte sie den US-Präsidenten nach der Bekanntgabe der Auszeichnung. Sie widme den Nobelpreis »den leidenden Menschen in Venezuela und Präsident Trump für seine entscheidende Unterstützung unserer Sache«, schrieb Machado auf der Plattform X.
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