Wirkungslos gegen Armut

Das Bildungs- und Teilhabepaket erreicht nur jedes siebte benachteiligte Kind

Das Bildungs- und Teilhabepaket gibt es seit knapp zehn Jahren als Reaktion auf ein scharfes Urteil vom Bundesverfassungsgericht. Dieses stellte im Februar 2010 in einem Urteil fest, dass es einen »völligen Ermittlungsausfall in Hinblick auf den kinderspezifischen Bedarf« in den Grundsicherungsregelbedarfen gibt. Eine am Mittwoch veröffentlichte Studie vom Paritätischen Gesamtverband kommt nun zu dem Ergebnis, dass das Hilfspaket nicht geeignet ist, um Kinderarmut zu bekämpfen.

Mit dem Bildungs- und Teilhabepaket soll Minderjährigen in Hartz IV unter anderem durch einen monatlichen Zuschuss von zunächst zehn Euro - im August 2019 auf 15 Euro erhöht - die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden. Etwa für Mitgliedsbeiträge für Sport, Kultur, Geselligkeit, Musikunterricht und die Teilhabe an Freizeiten. Doch laut der Studie konnte im Zeitraum vom Mai 2019 bis April 2020 nur jedes siebte benachteiligte Kind das Geld in Anspruch nehmen. Auch die Reformierung mit dem sogenannten Starke-Familien-Gesetz, das im Sommer 2019 eingeführt wurde, und mit dem »die Leistungen für Bildung und Teilhabe verbessert und die Beantragung deutlich vereinfacht« werden sollte, zeigt laut Studie bisher keinen positiven Effekt auf die Anzahl der erreichten Minderjährigen.

Stattdessen sei »sogar ein leichter Rückgang der Inanspruchnahme zu verzeichnen«, so der Paritätische Gesamtverband. Demnach wurden 85 Prozent der berechtigten Schüler*innen unter 15 Jahren nicht mit den »soziokulturellen Teilhabeleistungen« erreicht. Trotzdem wurden im Gegenzug Bestandteile der Regelsätze für alle Kinder und Jugendlichen pauschal gestrichen. »Es ist geradezu zynisch, dass Kürzungen im Regelsatz damit begründet werden, dass theoretisch der Anspruch auf eine Leistung besteht, die in der Praxis aber kaum ein Kind erreicht«, kritisiert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands.

In der Studie wird auch deutlich, dass die Quote der bewilligten Anträge regional sehr unterschiedlich ausfällt. Im April 2020 gab es etwa in Schleswig-Holstein mit 48,9 Prozent die höchste Teilhabequote, in Hamburg mit nur 2,6 Prozent die niedrigste. Regionen mit hohen Quoten haben laut Studie zumeist ein niedrigschwelliges Antragsverfahren sowie eine intensive Öffentlichkeitsarbeit zur Bewerbung des Bildungs- und Teilhabepaketes.

Grundsätzlich ist die Beantragung der Gelder in den Jobcentern laut Paritätischem falsch angesiedelt. Ein weiterer Grund für die geringe Nutzung des Hilfspaketes sei, dass es vielerorts einen Mangel an geeigneten Angeboten gebe. »Nur ein Rechtsanspruch sorgt dafür, dass auch wirklich entsprechende Angebote vorgehalten werden und jedes Kind, unabhängig von seinem Wohnort, bestmöglich in seiner Entwicklung gefördert wird«, so Schneider.

»Das Bildungs- und Teilhabepaket ist und bleibt Murks und geht weiter komplett an der Lebensrealität Heranwachsender und den Strukturen vor Ort vorbei«, kommentierte Schneider die Studienergebnisse. »Was es jetzt braucht, ist den politischen Mut, sich von dem verkorksten Bildungs- und Teilhabepaket endlich zu verabschieden.« Der Paritätische fordert stattdessen die Einführung einer bedarfsgerechten, einkommensabhängigen Kindergrundsicherung.

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