• Politik
  • Corona und soziale Folgen

Umstrittene Corona-Gesetze im Bundestag - Wasserwerfereinsatz am Brandenburger Tor

Irritationen im Parlament über vermutlich eingeschleuste Besucher / Über 100 Festnahmen rund ums Brandenburger Tor

  • Lesedauer: 4 Min.

Berlin. Das neue Infektionsschutzgesetz, über das neben dem Bundestag am Mittwoch auch der Bundesrat in einer Sondersitzung entscheiden soll, sieht konkrete Vorgaben für die vor allem von den Ländern verhängten Corona-Maßnahmen vor. Die Einschränkungen sollen damit besser vor den Gerichten Bestand haben. Das Gesetz soll am Mittwoch auch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unterzeichnet werden damit es bereits am Donnerstag in Kraft treten kann.

»Wir haben Tritt gefasst, das exponentielle Wachstum ist gestoppt«, sagte Spahn im Bundestag zur Corona-Pandemie. »Aber wir sind noch nicht über den Berg.« Es gehe nunmehr darum, weiter gut durch die Krise zu kommen.

Die Eindämmung des Coronavirus - und der erneute Herbst-Anstieg

Es handele sich um ein »gutes Gesetz«, dass zudem »dringend notwendig« sei, sagte auch die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Karin Maag (CDU). Sie verwies unter anderem auf die vorgesehenen Regelungen für künftige Impfungen gegen das Coronavirus.

Sie habe es »noch nie erlebt, dass ein Gesetz so missverstanden wurde«, beklagte Maag zugleich. »Wir weiten gerade nicht den Handlungsspielraum der Regierung aus, sondern engen ihn ein.« Nur wenn der Bundestag feststelle, dass eine epidemische Lage von nationaler Tragweite bestehe, könne laut dem Gesetzentwurf die Exekutive bestimmte Maßnahmen anordnen, betonte Maag.

Linke und FDP wandten sich gegen die Vorlage der großen Koalition. FDP-Fraktionschef Christian Lindner sprach von einer »Aufzählung von Freiheitseinschränkungen«, deren Anordnung nicht einmal an konkrete Situationen gebunden sei. »Der Entwurf gibt keine Leitplanken vor, sondern stellt im Gegenteil den Regierenden einen Freifahrschein aus.«

Auf Widersprüche bei den angeordneten Schutzmaßnahmen verwies der Linken-Parlamentsgeschäftsführer Jan Korte. »Auf der einen Seite gibt es Kontaktbeschränkungen, auf der andern Seite gibt es allen ernstes verkaufsoffene Sonntage«, kritisierte er. Es gebe Milliarden für die Lufthansa, aber kein Geld für Luftfilter an Schulen.

AfD-Fraktionschef Alexander Gauland kritisierte das Vorgehen der Polizei und verteidigte die Proteste. Die Demonstranten träten für ihre Grundrechte ein und sollten nicht vom Verfassungsschutz beobachtet werden, sagte Gauland in der Bundestagsdebatte. Er warnte in diesem Zusammenhang vor einer angeblichen »Gesundheitsdiktatur«.

Über 100 Festnahmen bei Corona-Demo

Am Brandenburger Tor nahe dem Reichstagsgebäude demonstrierten mehrere tausend Menschen gegen die Corona-Maßnahmen und gegen das neue Gesetz. Nach erfolglosen Aufrufen zum Einhalten von Maskenpflicht und Abstandsregeln versuchte die Polizei am Mittwoch, die genehmigte Demonstration auch mit dem Einsatz von Wasserwerfern aufzulösen. Dazu wurde auch Pfefferspray eingesetzt. Einige Demonstranten attackierten Polizisten. Laut Polizei wurden bislang mehr als 100 Menschen festgenommen worden. Man sei im dreistelligen Bereich, Fälle von kürzeren Freiheitsbeschränkungen eingerechnet, sagte eine Sprecherin der Behörde am Mittwoch. Mit einer Bilanz wurde nicht vor Donnerstag gerechnet.

Die Polizei versuche derzeit, langsam mit Wasserwerfern vorzurücken, um den Platz vor dem Brandenburger Tor frei zu bekommen, schilderte die Sprecherin. Die Demonstranten seien »absolut hartnäckig«. Die Auflösung des Protests brauche Zeit, da zum Beispiel auch Kinder vor Ort seien. »Es geht nur langsam, nicht martialisch.« Am Nachmittag begann sich die Demonstration langsam aufzulösen.

Irritationen im Bundestag - eingeschleuste Besucher?

Am Tag der Abstimmung über das geänderte Infektionsschutzgesetz haben Bundestagsbesucher für Irritationen gesorgt. »In den #Bundestag eingeschleuste Personen haben u.a. versucht in Büros einzelner Abgeordneter einzudringen«, twitterte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Mast am Mittwoch. »Ich bin fassungslos. Freigewählte Abgeordnete an Abstimmungen zu hindern u. zu bedrängen ist das Allerletzte. Das Ziel: Die Demokratie zersetzen.«

Auf einem auf Twitter verbreiteten Video ist zudem eine Frau zu sehen, die Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) auf einem Flur des Bundestags anspricht und ihn dabei mit einer Handykamera filmt. Die Aufnahme ist nach dpa-Informationen authentisch und dokumentiert eine Szene, die sich am Mittwoch im Bundestag abgespielt hat. Die Frau redet auf Altmaier ein und sagt dabei unter anderem offenbar über den Minister: »Er hat kein Gewissen.« Altmaier entgegnet, er vertrete seine Wähler. »Sie dürfen gerne demonstrieren, aber ich habe mein freies Gewissen.«

Der FDP-Abgeordnete Konstantin Kuhle sagte der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage, er habe die gleiche Frau vor dem Plenarsaal getroffen. Sie habe ihn gefragt, wie er abstimmen wolle. Er habe an dieser Stelle nicht mit einem Treffen gerechnet und sei weitergegangen. Die Frau habe einen Gästeausweis an der Jacke gehabt, wie ihn Besucher bekämen, die von Fraktionen oder einzelnen Abgeordneten angemeldet worden sein.

Die normalerweise gültige Regelung, wonach Abgeordnete sechs unangemeldete Besucher mit in den Bundestag nehmen können, wurde für den Mittwoch aus Sicherheitsgründen ausgesetzt. Ein Sprecher des Bundestags erklärte, Besucher müssten aber weiterhin die Sicherheitsschleuse passieren und ihre Personalien würden auf Auffälligkeiten in Polizeidatenbanken geprüft. Agenturen/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal