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Eklat auf hoher See

Türkei erzwingt Abbruch einer Waffensuchaktion vor der libyschen Küste

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.

Offenbar herrschte schwere See, als deutsche Soldaten der EU-Überwachungsmission Irini am Sonntag 200 Kilometer nördlich von Bengasi an Bord des Frachters »Rosaline A« gingen. Besser gesagt: Sie enterten das unter türkischer Flagge fahrende Schiff, indem sie sich aus einem Hubschrauber abseilten. Die Ladung des Frachters auf Waffen oder andere verbotene Güter zu kontrollieren, war das Ziel - die Operation Irini dient dazu, Waffenlieferungen nach Libyen zu verhindern, weil das schwer von Bürgerkrieg geschüttelte Land einem Waffenembargo der Vereinten Nationen unterliegt.

Die Aktion wurde abgeblasen, als die Türkei Widerspruch gegen die Maßnahme einlegte - ein völkerrechtlich üblicher Vorgang, der automatisch zur Beendigung der Durchsuchung führe, wie ein Sprecher des deutschen Verteidigungsministeriums am Montag in Berlin beschwichtigte. Allerdings kam das Veto recht spät, nach Ablauf einer üblichen Vierstundenfrist, nachdem die Zustimmung des Flaggenstaates eingeholt wurde. Nichtantwort gilt nach Ablauf dieser vier Stunden als Einverständnis. Was der Sprecher nicht sagte: Die Bundeswehrsoldaten harrten noch stundenlang an Bord aus, um keinen Unfall bei der Rückkehr zur Fregatte »Hamburg« zu riskieren. Der Abzug erfolgte erst im Morgengrauen, eine Vorsichtsmaßnahme angesichts der schweren See. Die Besatzung des Frachters habe sich die ganze Zeit über ausnehmend freundlich und kooperativ gezeigt, hieß es.

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Anders als die türkische Regierung. Schlechtes Wetter herrscht latent in den Beziehungen zwischen EU und Türkei, auch innerhalb der Nato, deren Mitglied das Land am Bosporus ist, sind immer wieder Wogen zu glätten. In Medienberichten wurde auch über das späte Veto aus Ankara spekuliert, weil ein griechischer Befehlshaber der Operation Irini (das griechische Wort für Frieden») den Befehl zum Boarding gab. Griechenland und die Türkei befinden wegen ungeklärter Ansprüche auf Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer derzeit in einer handfesten bilateralen Krise, die das ohnehin gespannte Verhältnis beider Nato-Mitgliedsländer zuletzt mehrfach an den Rand eines bewaffneten Konflikts geführt hat.

Der Sprecher des Verteidigungsministerium in Berlin versicherte, dass bis zum Ende der Aktion an Bord des Frachters nichts gefunden wurde, das den Verdacht begründet hätte, dessentwegen die Aktion gestartet worden war. Keine Waffen an Bord. Und das Außenministerium erklärte, dass es den Vorfall natürlich sehr ernst nehme. Das Verfahren sei aber technisch sauber abgelaufen. Auch die türkische Regierung nimmt den Vorfall ernst, wie man in der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu lesen konnte. Die «Rosaline A» habe lediglich Hilfsgüter geladen, hieß es da und dass die deutschen Soldaten ohne Erlaubnis an Bord gegangen seien. Von einer rechtswidrigen Handlung ist die Rede und dass Ankara Entschädigungsansprüche angekündigt habe. Immerhin musste das Schiff stundenlang ausharren. Den Sinn der türkischen Mitgliedschaft in der Nato stelle man jedenfalls nicht in Frage, beschied das Außenamt. Und auch an den Rüstungsexporten in die Türkei findet die Regierung nichts Frevelhaftes. Auf Anfrage der Linken im Bundestag wurde gerade bekannt, dass die deutsche Rüstungsindustrie seit 2004 Kriegsschiffe beziehungsweise Teile dafür im Wert von 1,5 Milliarden Euro in die Türkei exportiert hat. Die Bundesregierung müsse endlich die Waffenexporte an die Türkei und alle anderen Libyen-Brandstifter stoppen«, erklärte Sevim Dagdelen, Obfrau der Fraktion Die Linke im Auswärtigen Ausschuss. Von einer Durchsetzung des UN-Waffenembargos gegen Libyen könne keine Rede sein, »wenn die Kontrolle mutmaßlicher Waffenschmuggler mit einem einfachen Protestanruf der türkischen Führung abgewendet werden kann«.

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