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Mietendeckel in Berlin führt zu Hunderten Anzeigen wegen Mietsenkungen

Berliner Mieterverein rät dringend zur Überprüfung von Absenkungsansprüchen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit Inkrafttreten der zweiten Stufe des Mietendeckels Ende November, der Absenkungen in Bestandsverträgen vorsieht, sind bei der zuständigen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Hunderte Anzeigen eingegangen. »Vom 23. November bis einschließlich 3. Dezember lag die Zahl der bei der Senatsverwaltung eingegangenen Anzeigen bei insgesamt 627«, erklärt Verwaltungssprecherin Katrin Dietl auf nd-Anfrage. Dabei seien Anträge per Brief, Online-Formular und via E-Mail zusammengefasst worden. »Eventuelle Dopplungen und bereits zurückgezogene Anträge sind in dieser Zahl noch mit erfasst, daher könnte die absolute Zahl der wirksamen Anzeigen etwas geringer ausfallen«, so Dietl weiter.

Nachdem inzwischen auch die Dezembermieten eingezogen oder überwiesen wurden, rät der Berliner Mieterverein dringend, die Miethöhe zu prüfen. Gerade in den letzten Jahren eingezogene studentische Wohngemeinschaften und Mieter, deren Wohnungen in den letzten Jahren modernisiert wurden – bei oft hohen Umlagen – berichten von Senkungsansprüchen von mehreren Hundert Euro pro Monat.

»Die Beratung ist voll von Menschen mit Fragen zu den Absenkungen«, sagt Reiner Wild, der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, zu »nd«. In den ersten drei Tagen nach Inkrafttreten der zweiten Stufe des Mietendeckels habe es 10 000 Zugriffe auf den entsprechenden Online-Rechner des Vereins gegeben, berichtet Wild. Auch die Senatsverwaltung bietet einen Mietendeckelrechner an. Der Mieterschützer geht davon aus, dass vor allem Privatvermieter bei den Absenkungen nicht von sich aus tätig werden. Manche bieten ihren Mietern an, den Differenzbetrag zur bisher vereinbarten Miete zunächst weiter entgegenzunehmen und dann zurückzuzahlen, falls das Bundesverfassungsgericht die Regelung für rechtskonform erklärt. Eine Entscheidung wird für das zweite Quartal 2021 erwartet. »Das ist ein Verstoß gegen das Gesetz«, erklärt Wild. »Die Mieter sollen sich das Geld bis zur Entscheidung der Verfassungsrichter meinetwegen unter das Kopfkissen legen«, so der Geschäftsführer.

Während die Stadtentwicklungsverwaltung von rund 340 000 Wohnungen ausgeht, bei denen die Miete abgesenkt werden muss, schätzt der Mieterverein die Anzahl auf etwa 365 000. Laut Berechnungen des Instituts F+B Research sind sogar rund 512 000 Wohnungen betroffen – das wäre jede dritte der etwa 1,5 Millionen Stück, die unter den Mietendeckel fallen. Das Mietsenkungspotenzial pro Monat läge demnach im Durchschnitt bei 40 Euro pro Wohnung und Monat, heißt es im kürzlich veröffentlichten F+B-Wohn-Index Deutschland für das dritte Quartal 2020. »Auf ein Kalenderjahr hochgerechnet geht es also um ein Absenkungspotenzial von 250 Millionen Euro«, schreibt das Institut.

Von Februar bis Ende November sind laut Auskunft der Stadtentwicklungsverwaltung inzwischen bei den Bezirken über 2100 Anfragen wegen Verstößen gegen die bereits im Februar in Kraft getretenen Regelungen des Mietendeckels eingegangen. Allein im November waren es fast 400 neue Vorgänge. In 1259 Fällen ging es um Verstöße gegen den Mietenstopp, 596 mal wurde die Nichtbefolgung der Auskunftspflicht durch Vermieter moniert. 243 mal ging es um nicht eingehaltene Mietobergrenzen bei neu abgeschlossenen Verträgen.

Laut einer Analyse des Immobilienmarktdienstleisters 21st Real Estate lagen die Angebotsmieten in der Hauptstadt im zweiten Quartal wegen des Mietendeckels pro Quadratmeter um 1,50 Euro niedriger als ohne das Gesetz zu erwarten gewesen wäre. Das Angebot an Mietwohnungen mit Baujahr vor 2014 liegt demnach 42 Prozent niedriger.

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