Mr. Stromausfall will ein Comeback

Ex-Präsident John Mahama fordert bei Ghanas Präsidentschaftswahlen Amtsinhaber Nana Akufo-Addo heraus

  • Martin Ling
  • Lesedauer: 4 Min.

Es ist eine markige Ansage: »Wenn der NDC die NPP besiegt, trinke ich DDT und werde sterben.« Dieser Satz ist kein Ausdruck von Lebensmüdigkeit, sondern von Siegesgewissheit. Er stammt von Obiri Boahen, dem stellvertretenden Generalsekretär der in Ghana seit 2017 regierenden liberalen Neuen Patriotischen Partei (NPP), die Mitte-rechts angesiedelt ist. Ihr einziger gewichtiger Gegenspieler ist seit dem Übergang zur Demokratie 1992 der sozialdemokratische Nationale Demokratische Kongress (NDC), weshalb die Ghanaer*innen von einem »Two-horse-race« (Zwei-Pferde-Rennen) sprechen, egal wie viele Parteien auch immer antreten mögen.

Am 7. Dezember treten zwar zwölf Kandidat*innen für das Amt der Präsidentschaft an, Chancen haben aber nur zwei: Amtsinhaber Nana Akufo-Addo von der NPP und sein Vorgänger John Dramani Mahama vom NDC. Akufo-Addo schaffte es bei den Wahlen 2016, im dritten Anlauf nach 2008 und 2012, ins Präsidentenamt zu gelangen. Mahama, dem in seiner Amtszeit von 2013 bis 2017 aus nachvollziehbaren Gründen der Spitzname Mr. Dumsur, Mr. Stromausfall, verpasst wurde, tritt nun zum dritten Mal an und hofft auf ein Comeback.

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Zusätzlich geht es um 275 Sitze für das Parlament, die wie im Land der einstigen britischen Kolonialmacht nach dem Prinzip »The winner takes it all« vergeben werden, nachdem pro Wahlkreis nur der mit den meisten Stimmen einen Sitz bekommt. Dieses Mehrheitswahlrecht begünstigt die großen Parteien, sodass derzeit auch nur die NPP und der NDC im Parlament vertreten sind.

Die Coronakrise hat den Wahlkampf beeinträchtigt, aber nicht verhindert. Wenn die offiziellen Zahlen der Johns Hopkins University stimmen, ist Ghana mit 323 Toten bisher glimpflich davon gekommen. Auch in Anbetracht der Tatsache, dass gerade mal drei Wochen ab dem 22. März ein Lockdown angeordnet wurde, mit dem die Grenzen geschlossen wurden und der vor allem den größten Städten Accra und Kumasi Beschränkungen auferlegte. »Wir wissen, was zu tun ist, um unsere Wirtschaft wieder zum Leben zu erwecken. Was wir nicht wissen, ist, wie wir Menschen wieder zum Leben erwecken können.« Damit begründete Präsident Akufo-Addo die Einschränkungen, die er jedoch nicht lange durchhalten konnte. Das Argument lieferte sein Finanzminister Ken Ofori-Atta: »Angesichts der Tatsache, dass 90 Prozent unserer Bevölkerung informell sind und jeden Tag rausgehen, um Geld zu verdienen, wurde es immer unmöglicher, eine solche Politik (Lockdown) fortzusetzen.«

Doch auch drei Wochen Lockdown hinterlassen schon Bremsspuren. Trotz der Ölförderung und wachsendem Bergbau driftete Ghana 2020 das erste Mal seit Langem wie die gesamte Subsahara-Region in die Rezession, auch wenn sich der prognostizierte Rückgang um 1,5 Prozent mit europäischen Augen erträglich liest.

Akufo-Addo hat Reformen auf den Weg gebracht, aber nur einen Teil seiner Wahlversprechen umgesetzt. Die Sekundärschulen sind nun frei von Gebühren, was die vielen einkommensschwachen Haushalte entlastet. Doch die Versprechen, in allen 216 Distrikten mindestens eine Fabrik anzusiedeln und jeden Distrikt mit einem Krankenhaus auszustatten, blieb in den Anfängen stecken: 76 Fabriken sind vorhanden, 94 in Bau und 88 Distrikte sind nach wie vor ohne Krankenhaus. Und auch die Zielsetzung, jedes Dorf mit einem kleinen Staudamm zur Stromversorgung auszustatten, ist noch weit von seiner Realisierung entfernt. An der Universität bleiben Studiengebühren fällig, obwohl auch diese abgeschafft werden sollten.

Trotz der durchwachsenen Bilanz sagen die Umfragen einen Sieg von Akufo-Addo voraus. 2017 gelang Ghana mit der Amtsübergabe von Mahama an Akufo-Addo als erstem afrikanischen Land zum dritten Mal nach 2001 und 2009 eine friedliche Regierungsübergabe. Den Übergang von der Diktatur zur »Musterdemokratie« eingeleitet hatte Langzeitpräsident Jerry John Rawlings (1981-2001), der umstandslos nach zwei demokratischen Amtsperioden verfassungsgemäß abtrat und an John Agyekum Kufuor übergab, der Rawlings Vize John Atta Mills an den Urnen schlug. Über den einstigen Fliegerleutnant und zweimaligen Putschisten, der 1992 und 1996 demokratisch gewählt wurde, gehen in Ghana die Meinungen nach wie vor auseinander. Am 23. Dezember erhält er ein Staatsbegräbnis. Rawlings verstarb nach kurzer Krankheit am 12. November mit 73 Jahren.

Ob da einer seiner Nach-Nachfolger schon feststeht, ist ungewiss. Überspringt keiner die 50-Prozent-Marke, gibt es in drei Wochen eine Stichwahl.

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