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Fadenscheinige Flüchtlingspolitik
Meine Sicht: Claudia Krieg findet Abschiebungen grundsätzlich falsch
Wer entscheidet, ob jemand eine Chance auf ein menschenwürdiges Leben hat oder nicht? Der junge Mann, der am Dienstagnachmittag von Berlin aus über Leipzig nach Kabul abgeschoben wurde, hat sie nun nicht mehr. Das hat die Berliner Ausländerbehörde, die seit einem Jahr »Landesamt für Einwanderung« heißt, beschlossen. Sie hat, so der Flüchtlingsrat Berlin, dafür gesorgt, dass der Schutzstatus des 21-Jährigen aufgehoben wurde, den dieser aufgrund einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung zugesprochen bekommen hatte.
Was bringt Behördenmitarbeiter*innen dazu, jemanden, der als Kind auf der Flucht schwere Gewalterfahrungen machen musste, auf gewalttätige Art und Weise in eine lebensgefährliche Region verfrachten zu lassen? Afghanistan ist extrem von der Corona-Pandemie betroffen. Die Zahl der Infizierten steigt rasant, die humanitäre Lage verschärft sich weiter. Einkommensquellen sind für breite Teile der Bevölkerung weggebrochen, die Sicherheitslage ist desaströs. Das Institut für Wirtschaft und Frieden stuft Afghanistan als gefährlichstes Land der Welt ein, noch gefährlicher als Syrien. Weltweit sterben dort die meisten Menschen in Folge kriegerischer Auseinandersetzungen. Nichts davon ist unbekannt. Nichts davon kann beschönigt werden.
Auch die Berliner Flüchtlingspolitik kann man nicht beschönigen. Sie ist fadenscheinig. Einerseits setzt sich Innensenator Andreas Geisel (SPD) für die Aufnahme von Mittelmeerflüchtlingen ein und will gegen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) klagen, weil dieser die Aufnahme verweigert. Andererseits lässt er Menschen abschieben, die versuchen, der vielfach erfahrenen Gewalt zu entkommen. Das ist nicht nur in Pandemiezeiten und mitten im Winter ein zutiefst beschämendes Handeln.
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