Jetzt sind die Kommunisten dran

In den Philippinen hat das Duterte-Regime nach den Drogensüchtigen nun die linke Opposition im Visier

  • Rainer Werning
  • Lesedauer: 4 Min.

Razzien, willkürliche Verhaftungen, Ermordung von Regimegegnern durch Motorradfahrende Killer und systematisches Brandmarken von Oppositionellen als »Terroristen«, »Subversive«, »Staatsfeinde«, »Kommunisten« beziehungsweise »kommunistische Terroristen« sind in dem südostasiatischen Inselstaat an der Tagesordnung. Der Antikommunismus »feiert« dort Urstände, während die Masse der Bevölkerung durch ausbleibende Covid-19-Hilfen, grassierende Korruption im Gesundheitsministerium und Apathie im Falle mehrerer verheerender Taifune im November immer tiefer in Armut versinkt. Neben Indonesien sind die Philippinen in der Region Südost- und Ostasien sozialökonomisch am Härtesten durch die Corona-Pandemie betroffen und weisen das mit Abstand miserabelste Krisenmanagement auf.

Den seit Sommer 2016 amtierenden Präsidenten Rodrigo R. Duterte ficht all das nicht an. Für ihn sind sämtliche Maßnahmen notwendig und legitim, die darauf abzielen, das Land von »Drogen, Korruption und Subversion« zu befreien. Als nationale »Saubermänner« gelten neben den Streitkräften (AFP) ausgerechnet die Angehörigen der Nationalpolizei (PNP), die ihr oberster Dienstherr Duterte allerdings mehrfach öffentlich als »bis ins Mark verrottet« bezeichnet hatte. Ein Widerspruch? Nicht für Duterte. Denn der nennt »die Jungs« der AFP und PNP auch gern »meine Soldaten« und »meine Polizisten«.

Den größten Bluff verübte Duterte während seines Präsidentschaftswahlkampfs im Frühjahr 2016. Um landesweit die Linken und das fortschrittliche Lager für sich zu gewinnen, versprach er großspurig, »als erster sozialistischer Präsident der Philippinen« in die Geschichte eingehen zu wollen. Nicht wenige Linke verfielen dieser Propaganda, zumal Duterte außerdem vollmundig verkündete, die politischen Gefangenen zu amnestieren sowie die ins Stocken geratenen Friedensgespräche mit dem kommunistischen Untergrundbündnis der Nationalen Demokratischen Front der Philippinen (NDFP) wieder aufzunehmen. Er brüstete sich damals sogar damit, während seiner Studienzeit den Gründungsvorsitzenden der Kommunistischen Partei der Philippinen (CPP), José Maria Sison, als Lehrer gehabt zu haben. Die CPP bildet zusammen mit 17 weiteren, meist sektoral gegliederten Organisationen die NDFP, als deren politischer Chefberater der seit über drei Jahrzehnten im niederländischen Utrecht im Exil lebende Sison fungiert.

Heute bezeichnet Duterte seinen früheren Lehrer ungeschminkt als »kommunistischen Topterroristen«, während Sison seinen einstigen Schüler als »fentanylsüchtigen Tyrannen« attackiert, der - schlimmer noch als unter Marcos (Präsident und Diktator 1965-86, d. Red.) - die Bürger- und Menschenrechte mit Füßen tritt und darüber hinaus das Land schrittweise in »eine Kolonie der Volksrepublik China« verwandelt.

Duterte ist all seiner früheren Rhetorik zum Trotz von der Idee besessen, dem »kommunistischen Aufruhr« - sprich: dem nunmehr 52 Jahre währenden Guerillakrieg seitens der Neuen Volksarmee (NPA), des bewaffneten Arms der Kommunistischen Partei (CPP) - endgültig einen Riegel vorzuschieben und die NPA »zu eliminieren«.

Um dieses Ziel zu erreichen, unterzeichnete der Präsident am 4. Dezember 2018 die Exekutivorder-Nr. 70, womit gleichzeitig die Nationale Task-Force zur Beendigung lokaler kommunistischer bewaffneter Konflikte (NTF-ELCAC) aus der Taufe gehoben wurde. Diese Task-Force wird von hochrangigen Militäroffizieren geführt, deren einzige Qualifikation darin besteht, als manisch-repressive Antikommunisten der nationalen Counterinsurgency (Aufstandsbekämpfung) zum Durchbruch zu verhelfen. Im nächsten Jahr verfügt die NTF-ELCAC über ein Budget in Höhe von 19,13 Milliarden Peso (umgerechnet 396,7 Millionen US-Dollar) - eine Erhöhung um das Elffache der Zuwendungen im laufenden Jahr!

Die wenigen Oppositionellen im von Duterte-Anhängern klar dominierten Repräsentantenhaus sprechen von einer Ressourcenverschwendung, Außerparlamentarische Gegner des Präsidenten gehen davon aus, dass der Löwenanteil dieser Gelder zu Wahlkampfzwecken eingesetzt wird. Laut Verfassung endet die Amtszeit Rodrigo Dutertes im Sommer 2022. Doch bereits jetzt setzt dessen politisches Lager, unterstützt von einer ebenfalls soliden Mehrheit im Senat und eines im Sinne der Herrschenden hochgradig elastisch verfahrenden Justizsystems inklusive dem Obersten Gerichtshof, alle Hebel in Bewegung, um sich auch für die Zeit danach exklusiv Macht und Pfründe zu sichern.

Vieles spricht dafür, dass dieser Plan aufgeht, zumal die zuständige Wahlkommission von Duterte-Getreuen besetzt ist und der automatisierte Wahlvorgang samt Stimmenauszählung bereits bei den Zwischenwahlen im Mai 2019 dermaßen »justiert« wurde - begleitet von einem mehrstündigen Stromausfall -, dass kein einziger Oppositionskandidat es schaffte, in den Senat einzuziehen!

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