Jubel und Trauer für Timo Boll

Der deutsche Ausnahme-Tischtennisspieler gewinnt im Alter von 39 Jahren mit Düsseldorf noch einmal die Champions League

  • Dietmar Kramer
  • Lesedauer: 3 Min.

Timo Boll schossen im Jubel über Borussia Düsseldorfs Rückkehr auf den Champions-League-Thron plötzlich Tränen in die Augen. In die Freude über seinen 25. Jubiläumstitel mit den Rheinländern mischte sich die tagelang beim Turnier in eigener Halle nur mühsam unterdrückte Trauer um seine gestorbene Hündin Carrie. «Ab dem Viertelfinale ist da schon eine Krise gewesen. Nach 14 Jahren ist das sehr hart», beschrieb Boll mit brüchiger Stimme seine Emotionen.

Umso gelegener kam dem 39-Jährigen nach dem 3:1 im «Endspeel zohuus» gegen den deutschen Meister 1. FC Saarbrücken sicherlich der coronabedingte Ausfall der nach Düsseldorfer Triumphen sonst üblichen Sause durch die Altstadt. «Sie war ja wie ein Kind», dachte Boll im VIP-Raum mit traurigem Blick an seine langjährige Begleiterin.

Der Rekordeuropameister, der aus der Turnierblase in diesen Tagen nicht ausbrechen durfte, hatte seinem Team trotzdem einmal mehr imponierend den Weg zum ersten Titelgewinn nach mehr als zweijähriger Durststrecke bereitet. Im Kurzsatz-Showdown des Auftakteinzels gegen Saarbrückens Spitzenspieler Shang Kun drehte Boll ein 0:4 in unnachahmlicher Weise noch zum entscheidenden 6:4. Weil der Schwede Anton Källberg danach überraschend die übrigen beiden Punkte holte, feierte Düsseldorf seinen sechsten Triumph in der Königsklasse.

Boll hielt den «Henkelpott sogar schon zum siebten Mal in die Höhe und stieg in Europas wichtigstem Klubwettbewerb zum erfolgreichsten Deutschen auf. »Echt? Das hätte ich nicht gedacht«, kommentierte der Weltranglistenzehnte seine nächste Bestmarke gewohnt gelassen.

Lieber betonte der Europameister in typischer Manier die Bedeutung des Erfolgs für seine Mannschaft: »Ich fühle vor allem Erleichterung. Ich hatte schon Bedenken, ob das in meiner Karriere noch mal klappt. Wir waren ein Team und eben nicht nur Timo Boll. Deswegen sind Siege mit der Mannschaft so schön und machen mehr Spaß, als im Einzel alleine zu gewinnen.«

Diese Attitüde hat den Silber-Jubilar beim deutschen Branchenführer längst zu viel mehr als nur einen Erfolgsgaranten gemacht. »Timo ist größer als alle anderen Großen in unserer Vereinsgeschichte. Er lebt den Verein. Er bringt sich sich überall und auch in unsere sozialen Hilfsprojekte ein, was allen hier für den Alltag unglaublichen Halt gibt. Timo ist das Gesicht Borussias«, erläuterte Düsseldorfs Manager Andreas Preuß Bolls Stellenwert über die Platte hinaus.

Hans Wilhelm Gäb, neu in die Hall of Fame des deutschen Sports aufgenommener Verwaltungsratsvorsitzender der Rheinländer, urteilte ähnlich: »Durch seinen Charakter und seine Konstanz ist Timo menschlich und sportlich ein Phänomen.«

Darauf gestützt hofft Preuß auf eine neue Erfolgsära des Vereins. »Wir haben in den letzten zwei Jahren viel Haue bekommen und trotzdem keine zu schnellen Entscheidungen getroffen, sondern vertraut. Dass wir so mit der gleichen Mannschaft zurückgekommen sind, wird mich noch vier Wochen lang fliegen lassen. Das wird uns durch die restliche Saison und die Spieler auch bis Olympia tragen.« Die nächste Chance auf einen Titel bietet sich Boll und Co. schon am 9. Januar beim Pokalfinalturnier in Ulm.SID/nd

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