Reden ist Gold

Meine Sicht: Andreas Fritsche über die Diskussion mit »Querdenkern«

In der linken Szene herrscht die Ansicht, Linke könnten keine »Querdenker« sein, weil diese tendenziell rechts seien. Ich finde, damit macht man es sich zu einfach. Zwar versucht die AfD, bei den »Querdenkern« genauso anzudocken wie bei Pegida. Die Sachverhalte sind aber anders gelagert. Pegida war von vornherein rassistisch angelegt. Bei »Querdenken« geht es um die Ablehnung der Corona-Maßnahmen. Das ist zwar einerseits anschlussfähig an antisemitische Verschwörungsideologien. Andererseits entspricht es aber auch einer linken, kritischen Grundhaltung, kapitalistischen Regierungen alle möglichen Sauereien zuzutrauen. Die Geschichte liefert genug Beispiele, die eine solche Haltung rechtfertigen.

Die Annahme, Linke seien grundsätzlich solidarisch und könnten deshalb gar nicht so rücksichtslos und selbstbezogen denken, wie es angeblich alle »Querdenker« tun, ist meiner Meinung nach falsch. Schließlich artikulieren einige Kritiker der Corona-Maßnahmen die durchaus sehr menschliche Sorge um alte Menschen, die wegen der coronabedingten Isolierung vereinsamen. Dieses psychische Problem ist keineswegs aus der Luft gegriffen.

Zwar gilt die Grundregel: Mit Nazis demonstriert man nicht! Aber das heißt nicht, dass man mit denen, die es leider doch tun, nicht reden sollte. Menschen, die keine unverbesserlichen Rassisten, Antisemiten oder sonstige Menschenfeinde sind, sondern nur aus Frust, Enttäuschung und Protest die AfD gewählt haben, möchte die Linke gern zurückholen. Umso mehr müsste es ihr dann doch darum gehen, mit linken »Querdenkern« zu sprechen, deren Argumente zu hören und die eigenen Argumente vorzubringen. Das kann anstrengend sein, sehr viel mehr jedenfalls, als gleich abzuwinken und die Leute als rechts abzutun.

Im Gespräch kann man auch die eigene Überzeugungskraft schulen und noch eine Menge lernen, zum Beispiel über das richtige Lesen und Interpretieren von Statistiken oder darüber, wie man dem Wahrheitsgehalt von Nachrichten auf den Grund gehen und Dinge besser erklären kann, sodass sie auch von Menschen verstanden werden, die ihre Zweifel haben. Etwas kritisch zu hinterfragen, kann nicht schaden, solange man offen für neue Informationen bleibt und auch bereit ist, sich zu korrigieren. Und natürlich stigmatisierte Gruppen nicht zu Sündenböcken macht. In diesem Sinne: Bleiben Sie gesund und neugierig!

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