+++ Dritte Welle im Fühjahr? +++

Der Newsblog zur Coronakrise - Samstag, 26. Dezember 2020 - Rückgang der Infektionen im Iran durch Lockdown

  • Lesedauer: 8 Min.

Wien. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz rechnet im kommenden Jahr europaweit mit einer dritten Corona-Welle und einem massiven Anstieg der Infektionszahlen. Zum Sommer sei dann mit einer gewissen Rückkehr zur Normalität zu rechnen, sagte Kurz dem Sender ORF am Samstag in einem Interview.

Für Österreich hat seine Regierung die Corona-Einschränkungen am 2. Weihnachtstag nach einer kurzen Lockerung wieder verschärft. Häuser und Wohnungen dürfen nur mit gutem Grund verlassen werden - dazu gehören aber auch Sport treiben und spazieren gehen. Die Regeln gelten bis zum 17. Januar.

»Das erste Quartal 2021 wird sicherlich für Europa noch eine extreme Herausforderung, die dritte Welle wird über uns hereinbrechen, und die Ansteckungszahlen werden in vielen europäischen Ländern wieder massiv zunehmen«, sagte Kurz. »Danach gehe ich davon aus, dass es aufgrund der wärmeren Temperaturen, aber auch aufgrund der stetig steigenden Zahlen derer, die geimpft sind, eine stetige Entspannung geben wird. Und ich rechne damit, dass wir im Sommer wieder in weiten Teilen zur Normalität zurückkehren können.«

+++ Papst fordert »Impfstoff für alle« +++

Vatikanstadt. Die Corona-Pandemie hat Menschen in aller Welt ein weitgehend isoliertes Fest und der katholischen Kirche Gottesdienste quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit beschert. Als Zeichen der Solidarität forderte Papst Franziskus bei seiner Weihnachtsansprache auch einen freien Zugang zu den neuen Impfstoffen.

»In diesem historischen Augenblick, der von der ökologischen Krise und von schwerwiegenden wirtschaftlichen Missverhältnissen gekennzeichnet ist, die durch die Pandemie noch verschlimmert wurden, bedürfen wir mehr denn je der Geschwisterlichkeit«, unterstrich der Papst am Freitag in seiner per Video übertragenen Weihnachtsbotschaft. Diese müsse über die Familie, die eigene Volksgruppe, Religion oder Kultur hinausgehen und auch »in den Beziehungen zwischen Völkern und Nationen« gelten.

Niemand dürfe zulassen, dass »Nationalismus« und »das Virus des extremen Individualismus« zur Gleichgültigkeit »gegenüber dem Leiden anderer« führe, mahnte das 84-jährige Oberhaupt der rund 1,3 Milliarden Katholiken. Franziskus appellierte an Staatschefs, Unternehmen und internationale Organisationen, die »Gesetze des Marktes« und des Wettbewerbs zu ignorieren und gemeinsam daran zu arbeiten, dass alle geimpft werden können - insbesondere »die Schwächsten und Bedürftigsten in allen Teilen der Welt«. Anschließend spendete das katholische Kirchenoberhaupt von der Benediktionsaula des Petersdoms aus und ohne die sonst zehntausenden Gläubigen auf dem Petersplatz den feierlichen Papstsegen »Urbi et Orbi« (»Der Stadt und dem Erdkreis«).

+++ 10.000 Soldaten leisten Amtshilfe zur Virusbekämpfung +++

Berlin. Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, hat den Einsatz der Bundeswehr in der Corona-Pandemie gelobt. Nach der Pandemie müsse aber über das richtige Zusammenspiel zwischen Bund und Ländern im Katastrophenschutz gesprochen werden, forderte die SPD-Politikerin in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Das Instrument der Amtshilfe durch die Bundeswehr habe sich dabei bewährt.

Etwa 20 000 Soldatinnen und Soldaten seien in Bereitschaft und fast 10 000 seien im Einsatz. »Ich sage ganz deutlich: Sie retten jeden Tag Leben. Sie helfen bei der Nachverfolgung der Kontakte in den Gesundheitsämtern, beim Testen, sie helfen in Alten- und Pflegeheimen. Sie helfen sogar mit der Militärmusik - Musik gegen Einsamkeit. Die Bandbreite ist sehr vielfältig«, so Högl.

+++ Experte: »Impfen wird Epidemie vorerst nicht beeinflussen« +++

Kiel. Der Corona-Impfstart am Sonntag in ganz Deutschland wird nach Einschätzung des Kieler Infektionsmediziners Prof. Helmut Fickenscher »die Epidemie vorerst nicht beeinflussen«. »Dies liegt daran, dass wir einfach viel zu viele Leute zu impfen haben und noch längere Zeit nicht genügend Impfstoff zu Verfügung haben werden«, sagte Fickenscher der Deutschen Presse-Agentur. Er ist Direktor des Instituts für Infektionsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) und Präsident der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten.

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Eine günstige Corona-Entwicklung 2021 hängt laut Fickenscher davon ab, ob die weitgehende Durchimpfung der Bevölkerung - seien es nun 60 oder 80 Prozent - vor dem Winter 2021/2022 abgeschlossen ist. Vor Ostern rechnet Fickenscher nicht mit deutlichen Lockerungen der Corona-Auflagen. Vielleicht könnten einige Branchen vorher schon wieder öffnen. Aber eine relevante Lockerung im Alltag erwarte er erst, wenn es deutlich wärmer wird. Daher wünsche er sich, dass der Frühling warm und frühzeitig beginne.

+++ Schilder für Impfzentrum mit Hakenkreuzen beschmiert +++

Coesfeld. Im nordrhein-westfälischen Dülmen im Kreis Coesfeld haben Unbekannte in der Nacht zum Samstag zwei Hinweisschilder für ein Impfzentrum mit schwarzen Hakenkreuzen beschmiert. Wie die Polizei mitteilte, wiesen die Schilder auf das Impfzentrum des Kreises Coesfeld hin, das am 4. Januar seinen Betrieb aufnehmen soll. Die Schilder wurden abmontiert und müssen neu angebracht werden. Nach Angaben der Polizei übernahm der Staatsschutz Münster die weiteren Ermittlungen.

+++ Lockdown im Iran hat Fallzahl reduziert +++

Teheran. Im Iran hat der einmonatige Lockdown zu einem Rückgang der Corona-Fallzahlen geführt. »Wir müssen nun versuchen zunächst den Status quo zu stabilisieren und dann die Zahlen noch weiter zu senken«, sagte Präsident Hassan Ruhani am Samstag. Seit dem landesweiten Lockdown Ende November sind die Todeszahlen von über 480 pro Tag auf 130, die der Neuinfektionen von 14.000 auf 6000 gesunken. Bis zur »Idealsituation« sei es zwar noch ein langer Weg, aber die jüngsten Zahlen sowie Aussicht auf effiziente Impfstoffe machten Hoffnung, so der Präsident im Staatsfernsehen.

Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie Ende Februar gab es im Iran über 54.000 Todesfälle und mehr als eine Million Infektionen. Trotz akuter Wirtschaftskrise hat die Zentralbank 200 Millionen Euro für die Einfuhr von Corona-Impfstoffen bereitgestellt. Außerdem arbeitet das Gesundheitsministerium auch an einem lokalen Impfstoff. Trotzdem ist es weiterhin unklar, wann und wie im Iran geimpft werden soll.

+++ Städtetag: Noch keine Massenimpfungen +++

Berlin. Der Deutsche Städtetag hat vor zu hohen Erwartungen an den Impfstart an diesem Wochenende gewarnt. Mit dem Start der Impfungen sei ein Anfang gemacht, »aber der Spuk mit dem gefährlichen Coronavirus ist noch nicht vorbei«, sagte Städtetagspräsident Burkhard Jung den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag). Die Infektionslage sei aktuell weiterhin besorgniserregend. Wann in den Impfzentren geimpft werden könne, hänge stark von der Zahl der Impfdosen ab, betonte Jung. »Die Zeit für Massenimpfungen ist noch nicht gekommen. Dafür gibt es zunächst viel zu wenig Impfstoff.«

Die Impfzentren seien eingerichtet und könnten innerhalb von einer Arbeitswoche hochgefahren werden, sagte der SPD-Politiker weiter. Die Menschen sollten aber erst dann mit den Impfzentren oder Ärzten Kontakt aufnehmen, wenn genügend Impfstoff da sei und zur Terminvereinbarung aufgerufen werde, appellierte der Leipziger Oberbürgermeister. Die Mitarbeiter an der zentralen Rufnummer sowie an den Corona-Hotlines der Städte und Kreise dürften nicht durch Terminanfragen belastet werden, solange eine Terminvergabe mangels Impfdosen nicht möglich sei. Grundsätzlich seien die Städte »sehr erleichtert, dass jetzt mit den Impfungen begonnen werden kann«, sagte Jung.

+++ Erste Impfdosen eingetroffen +++

Düsseldorf. Einen Tag vor Beginn der Corona-Impfungen in Deutschland sind am Samstagmorgen die ersten Impfstoffdosen in einzelnen Bundesländern eingetroffen. Ins bevölkerungsreichste Land Nordrhein-Westfalen wurden zunächst 9750 Dosen geliefert und in ein geheimes Zentrallager gebracht. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) betonte: »Das ist ein wichtiger Moment der Zuversicht. Mit der Lieferung des ersten Corona-Impfstoffes entsteht Hoffnung auf ein normales Leben, wie wir es vor dem Virus gekannt haben.«

In Bayern nahmen Innenminister Joachim Herrmann und Gesundheitsministerin Melanie Huml (beide CSU) die Lieferung in Erlangen in Empfang. Es handele sich um die Hälfte der für den Freistaat bestimmten ersten 9750 Impfdosen, sagte Huml. Die übrigen sollten in München ankommen. Von München und Erlangen aus wird der Impfstoff regional verteilt, alle 99 Impfzentren in Bayern sollen damit versorgt werden. Am Sonntag sollen die ersten mobilen Impfteams ausrücken, um vor allem in Alten- und Pflegeheimen sowie in Krankenhäusern zu impfen.

In Thüringen brachte ein Logistikunternehmen den Impfstoff am Samstagmorgen per Kühltransport und in Polizeibegleitung zur Lagerung an einen Ort, der zunächst nicht näher genannt werden sollte. Auch in anderen Bundesländern liefen die Vorbereitungen zur Verteilung des Impfstoffs auf Hochtouren.

Der Bund lässt an diesem Samstag mehrere zehntausend Dosen der Firma Biontech an insgesamt 27 Standorte liefern. Von dort werden sie an Impfzentren und mobile Teams verteilt, die dann am Sonntag die ersten Impfungen verabreichen sollen. Zuerst sollen Menschen über 80 sowie Pflegekräfte und besonders gefährdetes Krankenhauspersonal immunisiert werden.

+++ Weniger Meldungen: Rund 14500 Neuinfektionen am Freitag +++

Berlin. Die deutschen Gesundheitsämter haben am ersten Weihnachtstag insgesamt 14 455 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Außerdem wurden 240 weitere Todesfälle verzeichnet, wie das Robert Koch-Institut (RKI) am Samstagmorgen bekanntgab. Da das RKI während der Feiertage mit einer geringeren Zahl an Tests und auch weniger Meldungen von den Gesundheitsämtern rechnete, sind diese Zahlen aber nur bedingt mit den Werten der Vorwoche vergleichbar. Am vergangenen Samstag (19.12.) war mit 31 300 Neuinfektionen binnen eines Tages einer der bislang höchsten Werte erreicht worden. Bei den Todesfällen war der Höchststand von 952 am Mittwoch vergangener Woche (16.12.) registriert worden.

Die Zahl der binnen sieben Tagen an die Gesundheitsämter gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) lag am Samstagmorgen bei 171. Ihr bisheriger Höchststand war am Dienstag mit 197,6 erreicht worden. Die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind jedoch enorm: Die höchsten Inzidenzen hatten am Samstag Sachsen mit 404 und Thüringen mit 303, den niedrigsten Wert hatte Mecklenburg-Vorpommern mit 83.

Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 1 627 103 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2 in Deutschland (Stand: 26.12., 00.00 Uhr). Die Gesamtzahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg bis Samstag auf 29 422. Die Zahl der Genesenen gab das RKI mit etwa 1 223 700 an.

Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Bericht vom Donnerstag bei 0,97 (Vortag: 0,92). Einen aktuelleren Wert gibt es nicht, da das RKI am Freitag wegen des Feiertages keinen Situationsbericht veröffentlicht hat. Dieser R-Wert bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 97 weitere Menschen anstecken. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab. Agenturen/nd

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