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Vorzeitig aus dem Verkehr gezogen

  • Peter Steiniger
  • Lesedauer: 2 Min.

Seinen Abgang hatte er sich sicher anders vorgestellt: Am Silvestertag hätte Marcelo Crivella, seit vier Jahren Bürgermeister der Metropole am Zuckerhut, den Rathaussessel räumen müssen, nachdem Ende November seine Wiederwahl krachend gescheitert war. Schon zu Weihnachten stand die Polizei mit einem Haftbefehl vor der Tür seiner Eigentumswohnung im noblen Stadtteil Barra da Tijuca im Westen von Rio de Janeiro. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Oberhaupt der verbrechensgeplagten Stadt vor, eine kriminelle Organisation innerhalb der Verwaltung zu lenken, die bei öffentlichen Aufträgen Prozente einstrich. Fürs Erste sitzt Crivella im überwachten Hausarrest.

Bei seiner Wahlkampagne, die den Kampf gegen die Korruption hervorhob, war Crivella von Präsident Jair Bolsonaro unterstützt worden, dessen Regierung er in den Himmel hebt. Plattform des Politikers sind die Republikaner. Die Partei ist nichts anderes als der weltliche Arm der neocharismatischen »Universalkirche des Königreichs Gottes«, eines Anbieters auf dem »Sinnmarkt«, der das Streben nach Besitz lobpreist und vorlebt. Crivella darf sich in der Sekte, die sein mittlerweile steinreicher Onkel Edir Macedo 1977 gegründet hat, Bischof nennen.

Der 1957 in Rio Geborene studierte dort Bauwesen und war anschließend als Ingenieur tätig. Ein Jahrzehnt lang missionierte er in Afrika. Einen Namen machte sich Crivella als Komponist und Gospelsänger. 1999 landet er mit dem Song »Der Botschafter der Solidarität« einen Hit. Auch als Autor religiöser Schriften trat der Mann hervor. Seine politische Karriere führte ihn von 2003 bis 2017 in den Senat von Brasilien, 2012 wurde er für zwei Jahre Landwirtschaftsminister. Politik, Wirtschaft und Verbrechen sind in Rio eng miteinander verflochten. Die Justiz nahm seit 2016 auch vier frühere Gouverneure und den aktuellen Amtsinhaber wegen Korruption in die Mangel.

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