Linke und Palästina: Menschen, nicht Staaten

Die Äußerungen der Linkspartei zum Krieg in Gaza sind beschämend, findet Raul Zelik

Bei Protesten gegen den Krieg in Gaza bleibt die deutsche Linke auffallend still.
Bei Protesten gegen den Krieg in Gaza bleibt die deutsche Linke auffallend still.

Unmittelbar vor ihrem Parteitag in Chemnitz hat sich der Vorstand der Linken noch einmal ausdrücklich zum Existenzrecht Israels bekannt und von »jedweder bildlichen Darstellung« distanziert, die dieses infrage stellen könnte. Mit der Erklärung wird zwar nur die bestehende Beschlusslage bekräftigt, die sich für eine (aufgrund der Siedlerpolitik längst realitätsfremd gewordene) Zweistaatenlösung ausspricht. Doch in Anbetracht der Hungerblockade in Gaza wirkt das Statement fast schon zynisch. Die deutsche Linke sorgt sich um die Sicherheit eines Staates, der zwei Millionen Menschen in Geiselhaft genommen hat und täglich Nachbarländer bombardiert?

Hintergrund des eilig gefassten Beschlusses ist ein Shit-Storm gegen das Parteivorstandsmitglied Ulrike Eifler. Die Gewerkschafterin, die seit Jahren in Anti-Kriegs-Bewegungen aktiv ist, hatte auf Social Media ein Bild geteilt, auf dem »Freiheit für Palästina« gefordert wurde. Die Tatsache, dass der Staat Israel auf der Karte fehlte, wurde von den üblichen Kontroll-Accounts als antisemitisch bewertet.

Antifaschisten müssen endlich begreifen, dass die Verteidigung Israels kein Schutz vor Faschismus ist.

Dass sich der Parteivorstand der Linken diese Interpretation zu eigen gemacht hat, ist mehr als nur ärgerlich. Seit eineinhalb Jahre hat die Partei nichts unternommen, um Waffenlieferungen an Israel zu stoppen oder zivile Kooperationen mit dem Land daraufhin zu überprüfen, ob diese die illegale Besatzungspolitik befördern. Genau das schreibt das Gutachten des Internationalen Gerichtshofs von Juli 2024 eigentlich rechtsverbindlich vor.

Statt sich politisch wegzuducken, sollte die Linke endlich eigene Initiativen entwickeln. Das heißt: an einer Anti-Kriegs-Bewegung mitarbeiten, die die Logik der Nationalstaaten durchbricht. Denn das Drama in Nahost (und anderswo) besteht darin, dass es jenseits der Staatsideologien nichts gibt. Der religiös motivierte Ethnonationalismus des Zionismus ist hier ein genauso ernstes Problem wie jener der Hamas.

Früher plädierten Linke in Nahost für einen gemeinsamen laizistischen Staat. Heute werben progressive Stimmen für eine plurinationale Konföderation, die das Lebens-, Bleibe- und Rückkehrrecht aller Menschen zur Grundlage hätte. Das ist das Existenzrecht, von dem Linke ausgehen sollten. Die Staatsideologie Israels hingegen muss kritisiert werden. Sie hat jenen rassistischen Verbrechen den Weg bereitet, die wir gerade beobachten, und findet nicht umsonst die Zustimmung von Rechtsextremen wie Trump, Milei oder Modi.

Antifaschisten müssen endlich begreifen, dass die Verteidigung Israels nicht vor Faschismus schützt. Aber auch die Palästina-Solidarität, die um die Menschen in Gaza kämpft und dabei jede Unterstützung verdient, sollte einen Schritt weitergehen. Lösungen für alle kann es nur jenseits nationaler Identitäten geben. From the River to the Sea – everybody must be free, skandieren manche bereits auf den Demonstrationen. Genau daran gilt es anzuknüpfen: Nicht um die Befreiung des Landes »Palästina«, sondern um die Menschen muss es gehen. Um alle.

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