Pharmalobby in der NRW-Regierung

Ein Sanofi-Lobbyist arbeitet in der NRW-Staaatskanzlei

Die Impforganisation ist kompliziert und muss vernünftig organisiert werden. Das dachte man sich in der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei und gründete einen »Krisenkoordinationsrat Corona«. Als Referent für dessen Geschäftsstelle stellte die Landesregierung Stefan Kentrup ein. Das Problem bei der Einstellung Kentrups: Dieser hat eigentlich schon einen anderen Job. Beim deutschen Ableger des Impfstoffherstellers Sanofi arbeitet er als »Head of Public Affairs«. Kentrup ist der Cheflobbyist von Sanofi in Deutschland.

In der Debatte um die Impstoffbeschaffung in der EU steht die Bestellung bei Sanofi, das bei Grippeimpfmitteln führend ist, besonders in der Kritik. 300 Millionen Dosen wurden bei dem französischen Hersteller geordert. Wann sie geliefert werden können, ist unklar. Vor Ende des Jahres wird nicht damit gerechnet.

Und jetzt arbeitet ausgerechnet ein Sanofi-Mitarbeiter für die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen - einem Bundesland, in dem fast 18 Millionen Menschen geimpft werden können. Ein Interessenkonflikt ist da programmiert, wie zivilgesellschaftliche Organisationen glauben. Von Lobby Control heißt es: »Auch durch eine Verschwiegenheitsvereinbarung und einen Verhaltenskodex lässt sich der Interessenkonflikt nicht auflösen. Vielmehr wird die Glaubwürdigkeit des Handelns des Krisenkoordinationsrates durch eine solche Personalpolitik gefährdet.« Ähnliches sagt Transparency International. Der Oppositionschef Thomas Kutschaty von der SPD hält es für »nicht akzeptabel, dass ein Mitarbeiter eines Unternehmens, das selbst Impfstoffe herstellt, auf den Markt kommen möchte, im Augenblick noch etwas zeitlich zurückhängt, an solch zentraler Stelle in einem Ministerium mitarbeiten kann. Da ist doch der Interessenkonflikt programmiert.«

Die NRW-Landesregierung hat eine einfache Erklärung für die Personalie Kentrup: Personalmangel. Sie sieht schlichtweg keine Alternative zu dem freigestellten Sanofi-Mitarbeiter. Von der Staatskanzlei heißt es, es gebe »wenig Spezialisten mit praktischen Erfahrungen, die kurzfristig verfügbar sind und eine umfassende Marktexpertise mitbringen«. Stefan Kentrup habe sich selbst beworben und kurzfristig zur Verfügung gestanden. Außerdem habe Kentrup eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnet und werde kein Wissen, das er bei der Staatskanzlei erlange, an sein Unternehmen weitergeben. Eine Erklärung, mit der sich die NRW-Opposition nicht zufriedengeben will. Für sie ist der bis Juni befristete Vertrag des Sanofi-Mitarbeiters ein Problem. In einer Landtagsdebatte erklärte die Fraktionschefin der Grünen, Verena Schäffer: »Den Cheflobbyisten eines Impfstoffherstellers ins Herz der politischen Steuerung des Landes NRW zu lassen, irritiert mich sehr. Mit dieser Personalie verspielt Armin Laschet Vertrauen in Regierungshandeln.«

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