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Kein Spielzeug für Lukaschenko

Unter großem öffentlichen Druck wird Belarus die Weltmeisterschaft im Eishockey wieder entzogen

  • Jörg Soldwisch
  • Lesedauer: 3 Min.

Belarus sieht sich »grundlos« und im Sinne »politischer Demagogen« bestraft, Sportpolitiker und Menschenrechtler atmen dagegen auf: Nachdem der Eishockey-Weltverband IIHF Belarus und damit dem umstrittenen Machthaber Alexander Lukaschenko nun doch die Gastgeberrolle der WM 2021 (21. Mai bis 6. Juni) entzogen hat, fallen die Reaktionen wie erwartet höchst unterschiedlich aus: »Das ist ein schwerer Schlag für den Diktator und sein Image«, sagte der Menschenrechtsaktivist Ales Bialiatski aus Belarus. Lukaschenko hätte die WM nur zu gerne für seine Politik benutzt, betonte der mit dem »Alternativen Nobelpreis« ausgezeichnete Bialiatski: »Es ist ein bisschen so, als nimmt man einem Kind das Spielzeug weg.«

Das lassen auch die ersten Reaktionen aus Belarus vermuten. Das Organisationskomitee schrieb auf der Internetseite der Regierung von einer »grundlosen Entscheidung«, um »die Interessen von politischen Demagogen zu befriedigen«. Ob Belarus eine Klage gegen die IIHF erwägt, wurde aus der Stellungnahme vom Dienstag nicht ersichtlich.

Diese Gefahr dürfte auch ein Grund für das lange Zögern der IIHF gewesen sein, denn eine mögliche Vertragsstrafe würde den Verband finanziell schwer treffen. Vor diesem Hintergrund ist auch die offizielle Begründung der IIHF für den Entschluss zu verstehen: Wegen »wachsender Sicherheitsbedenken im Zusammenhang mit den zunehmenden politischen Unruhen« sowie Corona könne man die WM nicht wie geplant in Minsk abhalten. Allein aus politischen Gründen kann der Weltverband gemäß seiner Statuten ein Turnier nicht verlegen.

Und so spielte IIHF-Präsident Rene Fasel in den vergangenen Monaten, als die Unruhen in Belarus mit festgenommenen, verletzten und sogar getöteten Demonstranten für Schlagzeilen sorgten, auf Zeit. Forderungen aus der Politik, von Menschenrechtlern und auch von Co-Gastgeber Lettland erhöhten jedoch den Druck. Dennoch blieb Fasel erst keine Wahl mehr, als die Sponsoren mit einem Rückzug drohten.

Fasels jüngstes Treffen mit Lukaschenko, bei dem er diesen innig umarmte, geriet für den IIHF-Chef zum Fiasko. »Ich war nicht da, um ein Glas Wodka mit Lukaschenko zu trinken«, wehrte sich der Schweizer später gegen den Eindruck zu großer Nähe mit Lukaschenko. Man habe versucht, eine Lösung zu finden, dabei aber »vergessen, dass der Sport nicht mehr nur Vehikel zum Frieden ist, sondern der Sport instrumentalisiert wird.«

Dass Fasel nach fast 40 Jahren als Sportfunktionär wirklich so naiv ist, muss bezweifelt werden. »Der IIHF-Präsident hat sich schlichtweg verzockt«, sagte die Sportausschuss-Vorsitzende Dagmar Freitag. Die SPD-Politikerin forderte nun auch die Absage anderer internationaler Titelkämpfe wie der Fünfkampf-WM im Juni in Minsk.

Für die Eishockey-WM muss nun ein neuen Ausrichter her. Eine erneute Absage nach 2020, als das Turnier in der Schweiz coronabedingt ausfiel, wäre »ein Desaster«, sagte Dänemarks Verbandspräsident Henrik Nielsen. Die Sportart würde eine weitere Absage nicht verkraften. Daher bot er Dänemark als Ersatz-Austragungsort an.SID/nd

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