Munitionsklau leicht gemacht

In Leipzig steht der Elitesoldat Philipp S. wegen Verdachts des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz vor Gericht

  • Nina Böckmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Prozess begann mit einem Geständnis. Der Angeklagte Philipp S. räumte ein, Waffen aus dem Arsenal der Bundeswehr entwendet zu haben. Der Mann vom Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr gab an, er habe das Material aufgrund von immer wieder vorkommenden Engpässen für die Ausbildung der Truppen nutzen wollen und dafür Restbestände an Munition gesammelt. Allerdings sei er davon ausgegangen, dass es sich dabei nicht um einsatzfähiges Material gehandelt habe. Es geht konkret um mehrere Tausend Schuss Munition sowie zwei Kilo PETN, ein Plastiksprengstoff, dazugehörige Zünder und Sprengschnur sowie einen Schalldämpfer. Hinzu kommt ein Sturmgewehr des Typs AK-47.

Am Morgen des 13. Mai 2020 waren Beamte des sächsischen Landeskriminalamtes sowie des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) in den nordsächsischen Ort Collm ausgerückt. Auf dem Grundstück des Angeklagten fanden diese auch Nazidevotionalien, darunter ein Liederbuch der SS. Bei dem Sprengstoff handelt es sich um die Variante, von der das KSK insgesamt 62 Kilo als »vermisst« gemeldet hatte.

Die Ermittlungsbehörden waren aufgrund von rechtsextremen Äußerungen, die der Angeklagte in Chatgruppen kundtat, auf ihn aufmerksam geworden. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden eröffnete daraufhin die Anklage gegen Philipp S. wegen des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. Bereits im Februar 2020 hatten nach Auskunft des sächsischen Justizministeriums auf eine Anfrage der Linke-Abgeordneten Kerstin Köditz Beamte des MAD Informationen über S. an das sächsische Landeskriminalamt übermittelt. Angaben zu etwaigen Mitwissern machte die Behörde aufgrund von laufenden Ermittlungen nicht.

Nach Informationen der dpa war der 45-Jährige jedoch schon früh in rechtsextreme Vorfälle bei der Eliteeinheit verwickelt. So war er auch bei der Geburtstagsfeier eines KSK-Kollegen anwesend, bei der die Anwesenden gemeinsam Rechtsrock hörten und den Hitlergruß zeigten. Im Falle des Angeklagten haben sich jedoch trotz der umfangreichen Ermittlungen keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Angeklagte zusammen mit weiteren Personen eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 129a StGB gegründet oder sich an einer beteiligt hätte, teilte die Generalstaatsanwaltschaft Dresden auf Anfrage des »nd« mit.

Auch zur politischen Gesinnung des Angeklagten machten die Behörden bis dato keine konkreten Äußerungen. Nach Informationen von NDR und WDR stand der Mann jedoch mindestens mittelbar in Kontakt mit der rechtsextremen Gruppe »Nordkreuz«. Auch war er Teil der zweiten Kompanie des KSK, welche erst im August aufgrund einer Vielzahl rechter Vorfälle aufgelöst worden war. Ebenso verwunderlich: Trotz der im Haus des Angeklagten gefundenen antisemitischen und NS-verherrlichenden Schriftstücke kommt ein als Zeuge gehörter LKA-Beamter der Sonderkommission Rechts (SokoRex) zu dem Schluss, dass ein eindeutig rechtsextremer Hintergrund nicht ersichtlich sei.

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»Diese Zusammenhänge gilt es klar zu benennen, denn erst dann lässt sich ein Bild des Gesamtausmaßes zeichnen«, so Matthias Jakubowski, Referent der Linksfraktion und seit Jahren mit den Vorgängen in der Bundeswehr vertraut. »Ich denke, dass das nicht der letzte Fall gewesen sein wird, in dem man Munition und Sprengstoff bei Bundeswehrsoldaten findet. Solange in diesen Fällen keine ernstzunehmende Strafverfolgung stattfindet, wird sich das auch nicht ändern«, schließt Jakubowski. Auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion, wie viele KSK-Soldaten derzeit als Zeugen vor Gericht stehen oder selbst beschuldigt sind, gibt die Bundesregierung keine Auskunft. »Die Beantwortung könnte ansonsten Rückschlüsse auf Umfang und Inhalt der strafrechtlichen Ermittlungen ermöglichen und damit den Untersuchungszweck gefährden«, heißt es weiter. Im Falle des 45-Jährigen Nordsachsen wird die Verhandlung am Freitag fortgesetzt und ein Sprengstoffgutachter als Zeuge gehört werden. Ein Urteilsspruch wird für Ende März erwartet.

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