• Politik
  • Bildungsreform in Griechenland

Universitäten unter Aufsicht

Eine von Griechenlands konservativer Regierung geplante Bildungsreform trifft im Land auf breiten Protest

  • Elisabeth Heinze, Thessaloniki
  • Lesedauer: 4 Min.

Manchen sollen die Einschränkungen aufgrund der Pandemie ganz gelegen kommen - etwa den Regierenden in Athen, so wird derzeit in Griechenlands Universitätsstädten gemutmaßt. Gegen die von der Regierung unter Kyriakos Mitsotakis von der konservativen Nea Dimokratia (ND) geplante Bildungsreform fanden deshalb in der vergangenen Woche in Athen und Thessaloniki große Demonstrationen statt. Organisiert hat sie ein breites Bündnis aus Studierendenschaft, allen Bildungsgewerkschaften und Elternvertretungen. Lokale Medien sprachen von Hunderten, manche von jeweils über 1000 Teilnehmern. In jedem Fall kamen mehr als 100 Menschen zusammen - die von der Regierung vor einigen Tagen eingeführte und mit Bußgeldern bewehrte Obergrenze für Versammlungen. Die linken Oppositionsparteien Syriza, KKE und MeRa25 sehen einen direkten Zusammenhang zwischen den »antidemokratischen, verfassungswidrigen Einschränkungen im Versammlungsrecht« und der Vorlage des Gesetzesentwurfs zur Bildungsreform im Parlament. Der Regierung werfen sie vor, Corona in »einem Akt des Autoritarismus« zu missbrauchen, wie der Syriza Abgeordnete Giannis Ragousis in einem Interview deutlich machte.

Gegen den Kurs von ND in Sachen Bildung regt sich schon länger Protest: Im August 2020 wurde trotz zähen Widerstands das Universitätsasyl abgeschafft. Die Polizei hat nun Zugang zum Campus, was ihr - durch das historisch bedingte politische Asyl dort - bisher untersagt war. Es geht zurück auf den Aufstand der Studierenden am 17. November 1973 (heute Nationalfeiertag). Dieser markierte, wenn nicht den Anfang vom Ende der Militärdiktatur, so doch das Sichtbarwerden von Opposition. In dieser Tradition stehend, beginnt für die meisten Studierenden das politische Leben noch heute an der Uni, und zwar nicht nur das philosophisch-wissenschaftliche, sondern auch das oppositionelle oder parteipolitische. Nun scheint eine Entpolitisierung des universitären Raums auf der Tagesordnung zu stehen.

Die Gesetzesvorlage steht besonders wegen einer Hochschulpolizei in der Kritik, die künftig den Campus der fünf größten Universitäten sichern soll, laut ND hauptsächlich gegen Gewalt und Drogendealerei. Nach den Vorstellungen von Bildungsministerin Niki Kerameos und Bürgerschutzminister Michalis Chrysochoidis sollen 1000 Polizeibeamte angestellt werden, die Eingangskontrollen vornehmen und die Befugnis haben, Festnahmen oder Disziplinarverfahren durchzuführen - vom Hausverbot bis zur Exmatrikulation. Die Hochschulpolizisten sollen zwar nicht mit Schuss-, aber mit anderen nicht tödlichen Waffen ausgestattet werden. Zusätzlich sollen Überwachungssysteme mit Kameras installiert werden. Zwar wird kein ausdrückliches Versammlungsverbot formuliert, allerdings sollen Handlungen, die üblicherweise Ausdruck von Protest sein können, unter Strafe gestellt werden, wie Lärmbelästigung, Plakatieren oder ganz allgemein »das Stören des Lehrbetriebs«.

Auf Unverständnis und Empörung stoßen die Pläne auch im Kreis der Dekanate. Die Anwesenheit solch einer Polizei wird dort als kontraproduktiv erachtet. Ein Teil der Kosten dafür soll ausgerechnet aus der Kasse des Forschungsfonds (ELKE) kommen, der die Verwaltung übernehmen und Räume zur Verfügung stellen soll. Dabei fordern die griechischen Wissenschaftler seit Jahren einen größeren Forschungsetat und die Schaffung neuer Stellen im akademischen Bereich. Gehen Professoren in Rente, bleibt ihr Platz im Anschluss oft leer. Wird eine Professur doch neu vergeben, werden diese Nachfolger oft monatelang nicht bezahlt.

Gleichzeitig zielt die Bildungsnovelle indirekt auf die Privatisierung des Sektors: Ginge es nach der ND, dürften Fakultäten Studiengebühren erheben und privat finanziert werden. Neugegründete fremdsprachige Fakultäten sollen künftig den höchsten Universitätsabschluss vergeben dürfen. Bisher ist das Diplom, wie in der Verfassung festgeschrieben, nur an staatlichen Universitäten und gebührenfrei zu erwerben.

Mitte Januar hat der sich großen Interesses der Medien erfreuende Entwicklungsminister Adonis Georgiadis gefordert, dass Akademiker, die sich gegen eine solche Polizei an den Hochschulen wenden, für die daraus entstehenden »materiellen und moralischen Schäden« aus eigener Tasche aufkommen. Mit schiefen Vergleichen bei seinem Werben für die Reform zog der Politiker, früher einmal Generalsekretär der ultrarechten Partei LAOS, viel Spott auf sich. Griechenland, so Georgiadis, habe Nachholebedarf und könne sich nun endlich dem europäischen und internationalen Standard annähern. Er verwies auf das Beispiel von Oxford. Die Antwort aus Großbritannien kam prompt: In einer öffentlichen Mitteilung der Universität von Oxford heißt es deutlich, man beschäftige dort keine Polizei, sondern lediglich ein ein paar Wachleute, und möchte mit den Plänen der griechischen Regierung nicht in Verbindung gebracht werden.

Trotz chronischer Unterfinanzierung leisten Griechenlands staatliche Universitäten gute Arbeit, die Ausbildungsstätten bringen aus ausgezeichnete Akademiker hervor, die auf der ganzen Welt Wirkungsstätten finden. Sollten die Reform und das Konzept der Hochschulpolizei umgesetzt werden, dürften die Unabhängigkeit der Einrichtungen und damit die Qualität der Bildung Schaden nehmen. Der politische Raum für die Studierenden würde deutlich verengt werden. Doch das wollen sie sich nicht gefallen lassen.

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