- Berlin
- Jugendzentrum »Potse«
Linke Freiräume erhalten
Marie Frank über die drohende Räumung des Jugendzentrums »Potse«
Berlin hat die Menschen schon immer mit seiner widerständigen Art fasziniert. Nicht Wenige fühlen sich genau deswegen hier heimisch: Es gibt Raum für Unangepasstes, für Rebellion, manchmal weht sogar ein Hauch von Revolution durch die Hauptstadt. Was für die Stadt gilt, gilt für ihre Jugend umso mehr. Sie braucht Freiräume, um sich auszuprobieren, mehr noch als die Erwachsenen, die oft zu wissen meinen, wer oder was sie eigentlich sein wollen. Umso schlimmer ist es für junge Menschen, wenn diese Freiräume mehr und mehr verschwinden und Investoreninteressen zum Opfer fallen.
Die »Potse« kämpft seit nunmehr zwei Jahren erbittert um diese Freiräume. Dass sich das älteste Jugendzentrum Berlins dabei nicht mit halbgaren Kompromissen zufrieden gibt, ist bei Autonomen nicht anders zu erwarten. »Mensch bietet einer fünfköpfigen Familie auch keine Ein-Zimmer-Wohnung an«, kommentiert eines der Kollektivmitglieder das Ersatz-Angebot von SPD-Jugendstadtrat Oliver Schworck. Das mögen manche rotzfrech finden, dreist ist allerdings auch das Friss-oder-Stirb-Ultimatum des Jugendstadtrats: »Entweder ihr nehmt diesen sehr viel kleineren Raum außerhalb des Berliner S-Bahn-Rings oder wir lassen euch räumen, und eine Zukunft im Haus der Jugend könnt ihr dann auch vergessen«, ist keine Pädagogik, sondern autoritäres Machtgebaren.
Nun haben die Sozialdemokrat*innen ihren rebellischen Geist schon vor langer Zeit verloren, und ihren revolutionären Anspruch noch sehr viel länger. Es verwundert daher nicht, dass der SPD-Jugendstadtrat nicht gemeinsam mit den Jugendlichen für mehr Freiräume kämpft, sondern ihnen gleich die Staatsmacht auf den Hals hetzen will, wenn sie nicht spuren. Vom SPD-Innensenator ist auch nicht mehr zu erwarten, zumindest hatte er mit Zwangsräumungen von jahrzehntelang gewachsenen linken Projekten in der Vergangenheit kein Problem. Zumal sich die neue SPD-Chefin Franziska Giffey als Law-and-Order-Politikerin inszeniert. Für Linke und Grüne kommt eine gewaltsame Räumung von Jugendlichen mitten im Wahlkampf hingegen zur Unzeit. Es wird sich zeigen, wem diese Stadt wirklich gehört.
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.