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Schluss mit dem Theater

Das »Verlängerte Wohnzimmer« in Friedrichshain steht vor dem Aus

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 3 Min.

»Wir halten noch bis April durch, aber dann wissen wir nicht weiter«, sagt Lena Liedtke. Die junge Frau redet vom Theater »Verlängertes Wohnzimmer« in der Frankfurter Allee 91. Und mit durchhalten meint die 27-Jährige: die Coronakrise und dabei vor allem den zweiten Lockdown, der die Kulturlandschaft der Hauptstadt massiv getroffen hat. So auch das kleine Friedrichshainer Theater, das Liedtke mitbetreibt und für das ihr Herz schlägt, wie sie sagt.

Seit über zehn Jahren gibt es das »Verlängerte Wohnzimmer« bereits. Dahinter verbirgt sich keine große Spielstätte, sondern ein Ort, an dem Menschen ehrenamtlich ihre Freude am Theater ausprobieren und erleben können. Platz gibt es für über 90 Zuschauer*innen, geboten werden Comedy, Poetry-Slam und Improtheater sowie Kinderunterhaltung. Ein festes Ensemble gibt es nicht. »Wir haben sehr viel Wert darauf gelegt, dass Leute, die Lust auf Theater haben, bei uns niedrigschwellig einsteigen und kreativ sein können, ohne Druck«, erklärt Liedtke.

Das Theater ist zwar nicht kommerziell, wird aber von den 31 Mitgliedern des Vereins professionell geführt. Alle engagieren sich ehrenamtlich, teilen sich etwa die Bar- und Einlassschichten. Dazu kommt alles, was es rund um ein Theater zu tun gibt: Stücke, Bühnenbilder und Kostüme entwerfen, proben, aufführen, so Liedtke, die hauptberuflich Redakteurin für Medienanalyse ist. Dazu kommt Öffentlichkeitsarbeit, die Finanzen, Bestellungen für den Barbetrieb, Reparaturen. Wer etwas kann, steckt es in das »Verlängerte Wohnzimmer« und hält es mit am Laufen.

Genau diese Struktur fällt dem kleinen Kulturprojekt in der Coronakrise auf die Füße. Zwar konnte es bei der ersten Schließung im vergangenen Frühjahr die Corona-Soforthilfe in Anspruch nehmen, aber die ist längst aufgebraucht. Miete und Betriebskosten betragen im Monat etwa 1.500 Euro, erklärt Lena Liedtke. Dazu kommen weitere Kosten etwa für die eingekauften Getränke, die nun abgelaufen sind. Weil der Verein kein Unternehmen im eigentlichen Sinne ist, hat er jedoch keinen Anspruch auf finanzielle Hilfen.

»Man will Arbeitsplätze retten, das kann ich voll und ganz verstehen«, sagt Liedtke über die staatliche Unterstützung für Betriebe und Firmen. Alle trifft die Pandemie schwer, meint sie. Für Theater war der Ausstieg aus dem ersten Lockdown nur mit detailliert ausgearbeiteten Hygienekonzepten möglich. Das »Verlängerte Wohnzimmer« spielte nur noch mit 20 Prozent Auslastung. »Im Saal für 90 Zuschauer*innen saßen nur noch 17«, erinnert sich die Friedrichshainerin. Man habe extra coronakonforme Produktionen erarbeitet, Formate wie Lesungen, bei denen auf der Bühne nicht so viel los war. Trotzdem kam die Schließung im November.

Und ein Ende ist nicht in Sicht. Das heißt für den Theaterverein: die Rücklagen reichen höchstens noch bis Ostern. Dann ist Schluss, wenn es keine finanzielle Rettung gibt. »Auf Förderung können wir uns frühestens für 2022 bewerben«, sagt Liedtke.

So wie dem »Verlängerten Wohnzimmer« geht es vielen kleinen Spielstätten in der Hauptstadt, weiß sie. »Es wäre schade, wenn solche Orte nicht mehr existieren.« Damit verschwände auch ein wichtiger Teil der Berliner Kulturszene. Bei aller Motivation, sich für ihr Theater einzusetzen, gibt es mittlerweile auch Tage, wo Liedtke ans Aufgeben denkt. Auch im Verein sei die Stimmung manchmal sehr gedrückt, erzählt sie. »Wir waren immer so stolz darauf, dass wir uns selbst tragen können«, sagt Liedtke. Mit einem You-Tube-Video, das die Arbeit am Theater zeigt, rufen sie nun zu Spenden auf. »400 Euro sind schon zusammen«, freut sich Liedtke. Aber das reicht noch lange nicht.

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