Rote Brause - Folge 29: Stigmatisierung ist Mitschuld

Wie Razzien in Berliner Shishabars mit den rassistischen Morden in Hanau zusammenhängen / Außerdem: Köpi bedroht / Verfassungsschutz durchleutet / Wohnungen zuerst

  • Marie Hecht
  • Lesedauer: 3 Min.
RB29 - Stigmatisierung ist Mitschuld

Vor einem Jahr wurden Ferhat Unvar, Gökhan Gültekin, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Sedat Gürbüz, Kaloyan Velkov, Vili Viorel Păun und Fatih Saraçoğlu erschossen. Weil sie aussahen, wie sie aussehen: Der Täter von Hanau hatte auch Mustafa Tunc die Pistole auf die Brust gesetzt – zögerte, und drückte nicht ab. Mustafa ist blond und hat helle Augen.

Der Attentäter war Rassist, so durch und durch, dass man ihn anschließend leicht als einen außerhalb der Gesellschaft stehenden Einzeltäter portraitieren konnte. Aber er hat sich mit dem »Midnight« und der »Arena-Bar« sehr bewusst für zwei Tatorte entschieden, die schon vor seiner Tat von einem Großteil dieser Gesellschaft rassistisch stigmatisiert wurden.

Auch in Berlin werden Shisha-Bars regelmäßig als Drehorte für irgendwelche Gangster-Filme gebucht, und wenn die Kameras weg sind, kommen die echten Razzien, die – ob die Beamten nun etwas finden oder nicht – Bilder erzeugen, die AfD-Politiker ermächtigen, kurz nach der Ermordung von neun Menschen öffentlich zu sagen, Shisha-Bars seien eben Orte, die vielen missfallen.

Dass Shisha-Bars aber vor allem Schutzräume sind, in denen migrantische Menschen nicht an rassistischen Türstehern vorbei müssen und man sich auch als Muslim wohlfühlt, wenn man keinen Alkohol trinkt, weiß Mohamed Ali Chahrour von der Initiative »Kein Generalverdacht«.

Der gebürtige Neuköllner hat mit mir, darüber gesprochen, wozu das Framen bestimmter Gruppen als »kriminell« führen kann. In der neuesten Folge der Roten Brause erfahrt ihr außerdem, wie der Berliner Verfassungsschutz durchleuchtet wird, wie der Arbeitskreis Wohnungsnot die Abschaffung von Wohnungslosigkeit in Berlin bis zum Jahr 2030 voran bringen will und wie der Köpi-Wagenplatz sich mal wieder gegen Verdrängung wehrt.

Die Themen der Woche zum Nachlesen:

Housing First: Finnische Krisenlösung für Wohnungsnot in Berlin - Um bis 2030 die massive Wohnungslosigkeit in der Hauptstadt zu beenden, hilft nur ein »Masterplan«

Verfassungsschutz: Geisel jagt den Einzeltäter - Innensenator will im Verfassungsschutz zumindest ein wenig aufräumen

Verfassungsschutz: Rechter Schulterschluss - Berliner Verfassungsschutz gibt geheime Informationen an AfD weiter

Vorkaufsrecht: Widerstand in der City West - Die Seelingstraße 29 könnte als erstes Charlottenburger Haus vorgekauft werden

U-Bahnverlängerung: Geheimsache U-Bahn-Planungen - Fahrgastverband IGEB kritisiert mangelnde Beteiligungskultur der Verkehrsverwaltung

U-Bahnverlängerung: Senat will U7-Verlängerung weiter prüfen - Eine Kosten-Nutzen-Untersuchung soll die Wirtschaftlichkeit einer Erweiterung der Linie belegen

Bedroht: Wagenplatz ist Risikokapital - In Berlin soll ein Teil der »Köpi« geräumt werden. Das Ultimatum des Besitzers sorgt für Widerstand

Kommentar der Woche: Wohnungen für alle, endlich! - Claudia Krieg fordert einen Kraftakt zur Bewältigung der Wohnungslosenfrage

Abonnier' unseren Newsletter ndMuckefuck via Email oder Telegram

Außerdem:

Köpi-Wagenplatz

Initiative »Kein Generalverdacht«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Dazu passende Podcast-Folgen:
  • ndPodcast
    Ein Gedenkbeitrag der Initiative Postmigrantisches Radio zum rassistisch motivierten Terroranschlag in Hanau am 19. Februar
    • Länge: 00:04:49 Stunden

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal