Besser links- als marktradikal

Marie Frank über das Gezerre um das linksradikale Hausprojekt »Rigaer94«

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 2 Min.

»Aus Fehlern lernt man«, wird einem seit Kindesbeinen eingetrichtert. Doch diese Binsenweisheit scheint bei Innensenator Andreas Geisel (SPD) nicht angekommen zu sein. Zumindest setzt er alles daran, den Fehler seines Amtsvorgängers zu wiederholen. Dabei war der frühere Innensenator Frank Henkel (CDU) mit seiner politisch gewollten Eskalation in Sachen »Rigaer94« im Wahlkampf seinerzeit krachend gescheitert. Die illegale Teilräumung der Rigaer Straße 94 im Jahr 2016 brachte letztlich für keinen der Beteiligten etwas Gutes - wobei die Bewohner*innen des linksradikalen Hausprojekts politisch länger überlebt haben als Frank Henkel. Geisel sollte sich also gut überlegen, ob er hier weiter an der Eskalationsschraube drehen will.

Die »Rigaer94« besitzt nach wie vor großen Symbolwert für die linksradikale Szene - und ihre Bewohner*innen sind bereit, im Falle einer Räumung erbitterten Widerstand zu leisten. Doch der Senator sollte nicht wegen der zu erwartenden Ausschreitungen die Finger von der »Rigaer94« lassen, sondern weil es politisch falsch wäre. In dieser Stadt werden so viele selbstverwaltete Freiräume plattgemacht, dass bald kaum noch welche übrig sind. Damit verliert Berlin genau den Charme, der die Hauptstadt einst ausmachte. Denn es sind nicht die Kapitalinteressen, die diese Stadt interessant machen und weswegen so viele Menschen hierherkommen und sich hier nach wie vor wohlfühlen. Es sind die Freiräume, das Rebellische und Widerständige, das in Marketingkampagnen gern hervorgehoben wird, aber zusehends zerstört wird.

Es muss nicht immer allen alles gefallen oder in den Kram passen - wichtig ist, dass alle Menschen hier ihren Platz finden. Vom Banker bis zum Punker, vom Manager bis zum Straßenkünstler. Anders Denkende, anders Aussehende oder politisch unbequeme Menschen dürfen nicht einfach vertrieben werden. Sie sind Teil einer pluralistischen Gesellschaft und müssen als solche auch akzeptiert werden. Alles andere wäre für das Mitte-links-Bündnis ein politisches Armutszeugnis.

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