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Der Antikommunismus von Jens Spahn: Ein Gespenst geht um
Patrick Lempges über Jens Spahns Antikommunismus
Am vergangenen Mittwoch ging es in der Generaldebatte zum Haushalt im Bundestag hoch her. Jens Spahn (CDU) teilte ordentlich aus – neben den Grünen und der AfD hatte Spahn zur Linken besonders viel zu sagen. »In ihrem Programm steht, sie wollen den Sozialismus. Der Sozialismus, das ist die Diktatur des Proletariats!« Die Linke wolle ein System, das bereits zu Terror, Hunger und Unterdrückung geführt habe. »Es wird bei Genossin Reichinnek nicht besser werden als bei Genosse Honecker.« Da hat dieser Möchtegern-McCarthy tief ins »Schwarzbuch des Kommunismus« gegriffen. Es fehlt nur noch der Vorwurf, im Karl-Liebknecht-Haus baue man an einer dampfbetriebenen Guillotine.
Erst einmal ist es ein gutes Zeichen, dass die Linke vom kapitalistischen Zentrum überhaupt wieder als Bedrohung wahrgenommen wird. Lange hatte man lediglich Häme und Mitleid für sie übrig. Doch nach ihrem stetigen Aufwärtstrend sieht sich Spahn genötigt, vor dem »Gespenst des Kommunismus« zu warnen. Besonders amüsant ist, dass er seine Tirade ausgerechnet mit einem fehlerhaften Trotzki-Zitat krönte. Was bei Trotzki noch der Müllhaufen der Geschichte war, ist bei Spahn nur noch die Tonne der Geschichte.
Spahns Ausflug in die Politische Theorie zeigt, dass er nicht nur im Aushandeln von Maskendeals ein Bruchpilot ist. Die jetzige Linkspartei mit den stalinistischen Verbrechen und Unrechtsregimen zu vergleichen, ist absurd: Organisationsform, Ideologie und Ziele unterscheiden sich fundamental. Gerade die kritische Auseinandersetzung mit dem Stalinismus war für die junge PDS von existentieller Bedeutung.
Auch wenn Kritik an der stalinistischen Degeneration notwendig ist, ist es grundlegend falsch, Stalinismus als »den Sozialismus« zu begreifen. Außerdem hat niemand »den Sozialismus« besser kritisiert, als Linke selbst. Wenn es Spahn also um Kritik am Stalinismus ginge – was natürlich nicht der Fall ist –, sollte er sich zunächst ernsthaft mit sozialistischer Theorie auseinandersetzen. Dann würde es in Zukunft vielleicht auch besser mit dem Zitieren von Trotzki klappen.
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