Fans, die Stimme der Vernunft

Sonntagsschuss: Die Anhänger von Borussia Dortmund und dem FC Bayern zeigen eine Einstellung, die man eigentlich von den Vereinsführungen erwarten würde.

Kennen Sie die »European Leagues«? Die sagten mir auch nichts, bis mich Fußballfans auf eine Debatte aufmerksam gemacht haben, die wie so viele wichtige Debatten hinter verschlossenen Türen stattfindet und die Reform der Champions League plant. Letztlich geht es dabei darum, dafür zu sorgen, dass die reichen Dauerkunden der Champions League an den Geldquellen bleiben - und die noch kräftiger sprudeln.

Die European Leagues sind nun eine Vereinigung von 990 Klubs aus 36 Ligen, die diese Pläne schon im Herbst kritisiert haben und aus deren Reihen auch in der vergangenen Woche interessante Informationen über die Verhandlungen der Großen an die Öffentlichkeit drangen. »European leaks« also, die Folgendes erzählen: Ab 2024 sollen 36 statt wie bisher 32 Vereine in der CL spielen, es gäbe keine Gruppenphase mehr, dafür aber insgesamt bis zu zehn statt wie bisher sechs Spiele. Wer in der Tabelle unter den ersten acht steht, käme weiter. Die folgenden 16 spielen um die anderen acht Plätze im Achtelfinale. Am Ende des Ummodelns stünden dann fast doppelt so viele CL-Spiele wie bisher, 225 Mal statt 125 Mal rollt dann der Rubel, der jetzt schon dafür sorgt, dass Vereine, die über mehrere Jahre in der CL spielen, sich so dumm und dusselig anstellen können, wie sie wollen - die nationalen Ligen dominieren sie trotzdem. Und damit das für die jetzt schon Privilegierten auch so bleibt, sollen künftig bis zu drei der vier neu geschaffenen Startplätze künftig nicht mehr auf Basis der sportlichen Leistung in der vorausgegangenen Saison vergeben werden, sondern über einen mehrjährigen Koeffizienten. Würde der gelten, wäre der FC Bayern auch als Fünfter in der Liga qualifiziert. Der derzeitige Tabellen-10. der Premier League, der FC Arsenal London, wäre natürlich auch qualifiziert, während schon jetzt die Meister aus der Türkei, Österreich, Dänemark Schottland oder Tschechien keinen direkten CL-Startplatz bekommen. Champions in der Champions-League wären ja nun auch wirklich widersinnig.

Nun ist es nicht unbedingt überraschend, dass von den großen europäischen Vereinen und der Uefa keine Ideen kommen, die wenigstens den Schein wahren würden, dass es um so etwas wie ein sportlichen Wettbewerb gehen könnte. Überraschender ist hingegen zumindest für Leute, die Fans nur als lärmende Staffage wahrnehmen, dass die Fans von Bayern München und Borussia Dortmund andere Wege gehen. Sie fordern in einer gemeinsamen Erklärung eine sukzessive Anhebung des »Solidartopfs« mit dem Ziel einer »50-prozentigen Verteilung zugunsten der nicht europäisch spielenden Vereinen der nationalen Ligen.«

Würde diese Forderung erfüllt, müssten Bayern und Dortmund in einigen Jahren etwa die Hälfte ihrer Einnahmen abführen. Das ist, wie wenn die Fans von Hertha BSC, deren Team gerade auf Platz 16 steht, die Forderung erheben würden, dass die Relegation abgeschafft wird - und ihre Mannschaft so direkt absteigen müsste.

Dass es für Fußballfans (noch) Wichtigeres gibt als den größtmöglichen sportlichen Erfolg, können sich viele Funktionäre wahrscheinlich gar nicht vorstellen. Zum Beispiel, das Gefühl, sich noch halbwegs mit ihrem Verein identifizieren zu können, weil er mehr ist als eine Gelddruckmaschine mit angeschlossener Marketingabteilung zur Kapitalismus-Verkitschung. Gegen Erfolg haben natürlich auch diese Fans nichts einzuwenden. Er muss nur mit faireren Mitteln zustande gekommen sein als sie der CL-Alltag vorsieht: »Ein Fußball ohne Solidarität und ohne Wettbewerb verliert seinen sportlichen Reiz - und somit seine Fans«, sagt Jakob Scholz von der BVB-Fanabteilung. Und Matthias Hentschel vom Münchner Club Nr.12 findet, dass man »vor allem auf internationaler Ebene für einen fairen Wettkampf einstehen« müsse. »Und nicht nur für die finanziellen Interessen der wenigen, ganz großen Vereine Europas.« Es sind Worte, die ein Jahr nach dem Pandemieausbruch eigentlich von den Offiziellen kommen müssten. An deren Adresse haben am Samstag die Fans von Union Berlin per Transparent eine entscheidende Frage gerichtet: »Wisst ihr noch vor einem Jahr, als der Fußball voller Demut war?« Der Rest war das Ende einer Illusion: »Scheiß auf euch und eure Reformen.«

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