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Was macht eigentlich die Bundeskanzlerin?
Stephan Fischer über eine derzeit unsichtbare Frau Merkel
Was macht eigentlich die Bundeskanzlerin? Diese einfache Frage wird immer drängender. Seit dem letzten Bund-Länder-Treffen scheint die Frau, die immer noch die Regierungschefin des wirtschaftlich stärksten EU-Staates ist, vom politischen Bühnenboden verschluckt.
Eine gewisse Zurückhaltung wäre verständlich: Merkel hatte sich vor allem auf die Wissenschaft gestützt, die die sich jetzt aufbauende dritte Pandemiewelle vorhersagten. Die von den Ministerpräsidenten forcierten Öffnungsschritte im März trug sie mit – auch wenn sie sich wohl Schritte in die entgegengesetzte Richtung gewünscht hätte. Dann macht mal euren Mist alleine, sagte einst sinngemäß ein sächsischer König – allerdings erst als er abdankte. Die Bundeskanzlerin ist allerdings noch ein halbes Jahr im Amt. Und sie hat nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, von ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen – auch und gerade angesichts der abschmierenden Performance ihres Kabinetts, das auch schon vor der Pandemie einige Problemkandidaten durchschleppte. Und auch angesichts einer Partei, die gerade mit dem Maskenskandal am Beginn eines ähnlich schweren Bebens steht, das sie einst ins Amt der CDU-Vorsitzenden brachte.
Es muss ja nicht gleich eine österliche Ansprache der Mutter der Nation sein – aber ein Zeichen, dass die Kanzlerin noch führt, wäre jetzt angebracht. Politisch wäre sie frei von allen Zwängen, sie könnte sogar noch Minister und Ministerinnen entlassen. Nur sollte das Kanzleramt auch eines bedenken: Mit jedem Tag Merkel’scher Abwesenheit werden die Spekulationen weiter ins Kraut schießen – und zwar in jede Richtung. Und das wäre ein Kontrollverlust, der Angela Merkel überhaupt nicht schmecken kann.
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