Nicht immer nur sammeln und ausstellen

In Heilbronn wird die südafrikanische Moderne der klassischen Kunst Westeuropas gegenübergestellt

  • Ralf Schick
  • Lesedauer: 4 Min.

Sie war eine reiche Kunstliebhaberin, wollte aber ein Museum haben, das allen zugänglich sein sollte - nicht nur der Oberschicht in Südafrika. Lady Florence Phillips (1863-1940), Ehefrau eines englischen Minenbesitzers, gründete 1910 in Johannesburg ein Museum, in dem sie zunächst ihre gekauften Werke von Impressionisten aus der englischen und vor allem der französischen Malerei ausstellte. Jahrzehnte später kamen auch Werke schwarzer südafrikanischer Künstler hinzu. Dies zeigt nun die Schau »Die Modernen kommen. Degas, Monet und Freunde«, die bis zum 11. Juli in der Kunsthalle Vogelmann in Heilbronn zu sehen ist.

Johannesburg ist durch ihre Gründung im Jahr 1886 eine noch recht junge Stadt. Ihre Museumslandschaft und Kunstszene sind bis heute außerhalb des afrikanischen Kontinents kaum bekannt. Nur wenige Künstler, wie etwa der 1955 in Johannesburg geborene William Kentridge, haben es zu international bekanntem Ruhm gebracht. Umso bedeutender ist die Schau zu bewerten, die aus der Sammlung der Johannesburg Art Gallery stammt und in Heilbronn als einzigem Ort in Deutschland gezeigt wird. Sie stellt Werke namhafter Künstler wie Claude Monet, Pablo Picasso und Henri Matisse den Arbeiten südafrikanischer Künstler gegenüber.

»Lady Phillips war überzeugt: Ein Museum ist nicht nur ein Raum, in dem man Kunstwerke sammelt und ausstellt, sondern auch ein wertvoller Ort für die Zivilgesellschaft, in dem Kultur entsteht und gefördert wird«, sagt die Co-Kuratorin der Ausstellung, Simona Bartolena. Die Kunsthistorikerin, Kritikerin, Autorin und Vermittlerin ist spezialisiert auf Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts und organisiert seit fünf Jahren im Auftrag der Mailänder Agentur ViDi Ausstellungen aus den Beständen der Johannesburger Art Gallery.

Die Ausstellung zeigt einen repräsentativen Querschnitt durch die Johannesburger Bestände zur internationalen Kunstszene des 19. und 20. Jahrhunderts. Zu sehen sind Ölgemälde, Aquarelle und Grafiken aus der englischen Kunst, unter anderem mit Werken des Romantikers William Turner. Im Gegenzug werden Positionen der französischen Avantgarde vor 1900 gezeigt.

Insgesamt sind es 64 Bilder, Aquarelle und Grafiken, die hier präsentiert werden - überwiegend des Impressionismus. Fast jedes Werk der namhaften Künstler wird in der Kunstszene mit einem höheren Millionenbetrag gehandelt, sagt Museumschef Marc Gundel. Picassos Harlequin etwa oder die Werke »Frühling« von Monet, aber auch die Arbeiten von Gustave Courbet, Francis Bacon oder Paul Signacs Zeichnung »Der Hafen von La Rochelle« erzielen solche Preise.

Ihnen gegenüber stehen Werke von recht unbekannten südafrikanischen Künstlern, die erst in den vergangenen fünfzig, sechzig Jahren entstanden sind. Zu sehr war zuvor Kunst das Privileg der Weißen in Zeiten von Apartheid. »Die Auswahl der Werke spiegelt die Komplexität des kulturellen Geflechts, das die südafrikanische Identität ausmacht, wider«, sagt Museumschef Gundel.

Das Spannungsfeld zwischen lokalen Traditionen und europäischen Einflüssen veranschaulichen etwa die Arbeiten von George Pemba und Gerard Sekoto. Pemba (1912-2001) zählt zur Generation der Black South African Art und malte etwa 1981 ein Bild, auf dem ein tanzendes Paar, ein fast gekrümmt wirkender Klavierspieler und eine ältere Frau zu sehen sind, die sich den Kopf mit dem Ellenbogen auf dem Klavier stützt - allesamt sind es Schwarze in einer Lebenssituation, wie es die Apartheid damals den People of Color verboten hatte.

Gerard Sekoto (1913-1993) gilt als einer der großen Pioniere schwarzer südafrikanischer Kunst, von ihm erwarb die Johannesburger Art Gallery bereits 1940 ein Bild. Von ihm stammt auch das Gemälde »Junge im Bergwerk« aus den Jahren 1946-1947, das in Heilbronn zu sehen ist. Es zeigt einen Stuhl, auf dem eine Kerze steht und zwei Bücher liegen, im Halbschatten oder Halbdunkel. Sekoto ging 1947 ins Pariser Exil und blieb dort bis zu seinem Tod.

»Wir können hoffen, dass in Zukunft eine Schule südafrikanischer Kunst entsteht und dass das Studium der Meisterwerke, die wir dieser Galerie sichern konnten, auch lokale Künstler anzuregen vermag«, sagte Lady Phillips 1910 bei der Gründung der Johannesburg Art Gallery.

Es dauerte allerdings Jahrzehnte, bis ihr Wunsch Realität wurde. Erst nach dem Ende der Rassentrennung und der Wahl Nelson Mandelas zum ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas 1994 wurde auch afrikanische Kunst in der Sammlung heimisch. Heute beherbergt die Johannesburger Art Gallery eine enorme Auswahl zeitgenössischer südafrikanischer Kunst, die mithilfe einer 1986 gegründeten Museumsstiftung weiter ausgebaut wird.

Öffnungszeiten: In Kooperation mit der Agentur ViDi Mailand zeigen die Städtischen Museen Heilbronn in der Kunsthalle Vogelmann bis 11. Juli »Die Modernen kommen. Degas, Monet und Freunde«: eine Gegenüberstellung klassischer europäischer und zeitgenössischer südafrikanischer wie internationaler Positionen. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen (25 Euro). Die Öffnungszeiten sind dienstags bis freitags von 11 bis 17 Uhr, donnerstags bis 19 Uhr, Samstag und Sonntag bis 18 Uhr, Eintritt 10 (8) Euro. Besuch derzeit nur mit Zeitfenstertickets.

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