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Bund für Nazi-Gräber nicht verantwortlich

Ruhestätte von Kriegsverbrecher Walter Model zieht Rechte an

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 3 Min.

Walter Model war Generalfeldmarschall, überzeugter Nationalsozialist und Kriegsverbrecher. Am 21. April 1945 erschoss er sich unweit der Duisburger Sechs-Seen-Platte. Sein Grab befindet sich heute auf der Kriegsgräberstätte Vossenack in der Nordeifel. Laut einem Arbeitspapier der interdisziplinären Arbeitsgruppe »Konfliktlandschaften« der Universität Osnabrück hat sich Models Grab mittlerweile zu einer Pilgerstätte für Neonazis entwickelt.

An dieser Entwicklung sei laut den Forschern auch die Konzeption des Friedhofs schuld: Mit der »prominenten Inszenierung« des Grabes eines Generalfeldmarschalls inmitten »seiner« Soldaten habe es die Ruhestätte zu einem Ort gebracht, der mitunter auch Interesse aus einem Spektrum mit »revisionistischen, militaristischen und rechtsradikalen Einstellungen« anziehe. Somit würden die Interpretationen des Grabes unterstrichen, »in deren Mittelpunkt jener überzeugte Nationalsozialist und Kriegsverbrecher steht«. Die Bedeutung des Grabes auf der Kriegsgräberstätte Vossenack sei ein »Kristallisationspunkt« rechter Geschichtsumdeutung.

»Wie viele andere Soldatenfriedhöfe ist auch die Kriegsgräberstätte Vossenack immer wieder Schauplatz von Gedenkveranstaltungen, die ein einseitiges und bisweilen revisionistisches Geschichtsbild rund um die im Zweiten Weltkrieg getöteten Wehrmachtangehörigen reproduzieren«, warnt die Arbeitsgruppe. Die Wissenschaftler weisen zudem darauf hin, dass unklar ist, ob es sich bei dem Grab von Model um eine Ruhestätte seiner sterblichen Überreste oder um ein symbolisches Grab handelt. Die Umstände seiner Umbettung Mitte der 1950er Jahre seien im Wesentlichen »unbelegt«.

Anfrage der Linksfraktion

Der Linkspartei-Bundestagsabgeordnete André Hahn nahm die Erkenntnisse der Forscher zum Anlass, um schriftlich die Bundesregierung zu fragen, welche Maßnahmen sie gegen die Etablierung einer rechten Pilgerstätte bei Models Grab ergreift und warum der Staat überhaupt für den Erhalt und die Pflege besagter Ruhestätte die Verantwortung trägt.

Die Antwort des Bundesministeriums für Familie, Frauen, Senioren und Jugend auf die Anfrage liegt nun »nd« vor. Die Regierung bezieht sich darin auf die Position, dass sie zwar die finanziellen Mittel für die Grabpflege zur Verfügung stellt, aber die Anwendung letztlich den Ländern obliege. »Die Umsetzung des Gräbergesetzes liegt in der Zuständigkeit der Länder, die diese Mittel den Friedhofsträgern als jeweilige Gesamtsumme für deren Kriegsgräberstätten zur Verfügung stellen«, erklärte der Staatssekretär Stefan Zierke. Insofern würden dem Bundesministerium »keine Informationen über die Lage oder Gestaltung einzelner Gräber« vorliegen.

Gräueltaten an russischen Zivilisten

Die Informationen zu den Geschehnissen an Models Grab habe die Bundesregierung jedoch mit »Bitte um Prüfung« dem Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen übermittelt. Zudem wolle man »die Problematik, Kriegsgräberanlagen könnten von Personen für revisionistische, militaristische oder rechtsradikale Aktionen zweckentfremdet werden«, mit allen Landesministerien »erörtern«.

Für Hahn ist die Antwort nicht zufriedenstellend. »Es ist absolut inakzeptabel, dass der Bund die Grabpflege von Walter Model finanziert, der als Hitlers Generalfeldmarschall für zahllose Gräueltaten gegenüber russischen Zivilisten und andere Kriegsverbrechen verantwortlich ist«, sagte der Abgeordnete gegenüber »nd«. Da Model kurz vor Kriegsende Selbstmord beging, falle sein Grab auch nicht in den Anwendungsbereich des Kriegsgräbergesetzes, so dass es für diese öffentlich finanzierte Grabpflege eines hochrangigen Nazis keine Rechtsgrundlage gebe. »Wenn zudem Hinweise vorliegen, dass sich Models Grab zu einem rechtsextremen Wallfahrtsort entwickelt hat, muss diese Praxis unverzüglich beendet werden«, erklärte Hahn.

Dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden reiche es weiterhin nicht aus, dass die Bundesregierung stets ankündige, ihre Gedenkarbeit zu überprüfen. »Es kann nicht sein, dass weiterhin Nazi-Verbrechern - darunter KZ-Kommandanten und Kriegsverbrecher - als Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft gedacht wird.«

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