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Von Abschiebung bedroht

Tamilische Geflüchtete sollen nach Sri Lanka gebracht werden

  • Henning von Stoltzenberg
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit Mittwoch vergangener Woche herrscht bei der tamilischen Community Angst und Verunsicherung. Denn an diesem und dem Folgetag wurden in Nordrhein-Westfalen 32 Menschen der Bevölkerungsgruppe festgenommen und in das berüchtigte Abschiebegefängnis Büren gebracht. Weitere Verhaftungen gab es in Hessen und Baden-Württemberg. Dort gibt es keine bestätigten Zahlen. Schätzungen zufolge könnten noch einmal so viele Menschen betroffen sein. Ein Grund für diese konzertierte Aktion des Innenministeriums ist nicht ersichtlich.

In den vergangenen Jahren gab es so gut wie keine Abschiebungen nach Sri Lanka. Die Behörden erkannten offenbar an, dass die Menschenrechtslage in der Inselnation im Indischen Ozean absolut prekär ist. Tatsächlich ist das Land auch zwölf Jahre nach Ende des Bürgerkrieges zwischen der sozialistischen LTTE (Liberation Tigers of Tamil Eelam) und dem sri-lankischen Regime tief gespalten. Bis heute werden rund 146 000 Tamilen vermisst. Von tamilischer Seite wird vermutet, dass sich wenige Zivilisten und ehemalige LTTE-Kämpfer noch in Haft befinden könnten und die anderen umgebracht wurden. Der Bürgerkrieg endete offiziell am 18. Mai 2009 mit dem Einmarsch der sri-lankischen Truppen in die von Tamilen bewohnten Gebiete im Norden und Osten.

Bei dem Einmarsch kam es zu einem Massenmord, dessen Aufarbeitung bis heute von der Regierung verhindert wird. Der heutige Präsident Gotabaya Rajapaksa war damals einer der verantwortlichen Militärs. Das erklärt auch, warum die tamilische Minderheit bis heute diskriminiert wird. Internationale Menschenrechtsorganisationen und die Vereinten Nationen haben wiederholt die Unterdrückung der Presse- und Meinungsfreiheit durch die srilankische Regierung kritisiert. Der UN-Menschenrechtsrat verabschiedete erst am 23. März eine Resolution, die diese Einschätzung noch einmal hervorhebt. Und in einem Ende Januar veröffentlichten Bericht warnt das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte, der aktuelle Regierungskurs könne dazu führen, dass sich die dramatischen Ereignisse von 2009 wiederholen.

Das Hochkommissariat sammelt derzeit Beweise für Kriegsverbrechen und Verstöße gegen das Völkerrecht. All das müsste die Bundesregierung wissen, saßen doch deutsche Vertreter mit am Tisch. Trotz dieser eindeutigen Lage soll nun offenbar die größte Abschiebewelle gegen Tamilen seit Jahrzehnten beginnen. Nicht nur tamilische Verbände fragen sich, ob das ein Zufall ist.

Jules El-Khatib, migrationspolitischer Sprecher der Linkspartei NRW, fordert im Namen seines Landesverbandes die sofortige Aussetzung von Abschiebungen nach Sri Lanka und verlangt von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), die Ankündigung einer humanitären Flüchtlingspolitik endlich auch umzusetzen.

Einige der Abschiebehäftlinge waren unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in die Ausländerbehörde bestellt worden. Doch nach Vorlage von Duldung, Arbeitsverträgen und Verdienstbescheinigungen erhielten sie nicht etwa einen dauerhaften Aufenthaltsstatus, sondern wurden in die JVA Büren abtransportiert. So geschehen zum Beispiel in Oberhausen. »Ich finde es empörend, eine Person zu einem regulären Termin zu bestellen und dann zu verhaften«, erklärte Yusuf Karacelik, Vorsitzender der Fraktion Die Linke.Liste im Stadtparlament von Oberhausen. Der in Oberhausen betroffene Mann müsse sofort aus der Abschiebehaft entlassen werden, forderte Karacelik.

In den Tagen vor dem 30. März wird mit Eilverfahren, Landtagspetitionen und Demonstrationen versucht, die Behörden in NRW, Hessen und Baden-Württemberg zum Einlenken zu bewegen. Der Krefelder Pfarrer Albert Koolen und die Parteivorsitzende der LINKEN, Janine Wissler, appellierten unterdessen in öffentlichen Stellungnahmen an Bundesinnenminister Seehofer, die Abschiebung quasi in letzter Minute zu stoppen.

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