Maulwurfsarbeit Beratung

Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus wünschen sich mehr Rückhalt

  • Ulrike Wagener
  • Lesedauer: 3 Min.

»Mobile Beratungsarbeit wird wohl weiterhin eine Maulwurfsarbeit bleiben«, sagt Ann-Sophie Susen vom Mobilen Beratungsteam Berlin für Demokratieentwicklung am Mittwoch - eine niemals endende Arbeit im Hintergrund. Vor 20 Jahren wurde ihr Projekt, ebenso wie die Opferberatungsstelle ReachOut und die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus, im Rahmen des Civitas-Förderprogramms der Bundesregierung gegründet. Das Programm zielte auf die Beratung von Opfern rechtsextremer Straf- und Gewalttaten in Ostdeutschland. Spätestens seit den rechtsterroristischen Angriffen in Hanau und Kassel ist aber - mal wieder - klar: Rechte Gewalt ist kein ostdeutsches Problem.

Und sie hat sich seit den »Baseballschlägerjahren« verändert, genau wie der gesellschaftliche Umgang damit. Als positive Veränderung benennt Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus den Umstand, dass sich der Fokus von den Tätern hin auf die Bedürfnisse der Opfer verschoben habe. Allerdings gebe es ein großes Problem mit Misstrauen gegenüber Demokratieprojekten. Das jüngste Beispiel dafür sei das blockierte Demokratieförderungsgesetz auf Bundesebene. Klose fühlt sich davon an die Extremismusklausel erinnert, die zivilgesellschaftliche Projekte pauschal unter Linksextremismusverdacht stellte.

In Berlin gebe es solche Tendenzen zwar nicht. »Doch ich beobachte, dass dort, wo - besonders durch die AfD - versucht wird, die Arbeit von öffentlichen Trägern zu diskreditieren, Kollegen und Kolleginnen in anderen Bundesländern nicht die ausreichende Rückendeckung durch Geldgeber erfahren«, so Klose. Sie kritisiert zudem, dass Politik und Verwaltung Demokratieprojekte zwar finanzierten, im Ernstfall aber immer wieder zuerst auf die Polizei hörten - etwa bei den »Hygienedemos« zu Beginn der Pandemie.

Die Beratungsstellen wissen, dass staatliche Strukturen ein Teil des Problems sind. Fast jede Geschichte aus der Beratung von ReachOut sei auch eine Geschichte von institutionellem Rassismus, erklärt Projektleiterin Sabine Seyb. »Rassismus und Antisemitismus auf der Straße muss immer zusammengedacht werden mit den Strukturen in Politik und Gesellschaft.« Für die Zukunft brauche es unabhängige Beschwerdestellen, die es ermöglichten, institutionellen Rassismus in Polizei, Justiz und Schule aufzuzeigen. Das neunköpfige Team von Reach Out hat seit der Gründung 1.850 Ratsuchende in mindestens 9.100 Fällen beraten. Zugleich verzeichnete man 3.800 Angriffe, Tendenz steigend. »Die Monitoringstelle wird immer bekannter, also können wir annehmen, dass das Dunkelfeld immer kleiner wird«, so Seyb.

Bei der Gründung von ReachOut sei man von einer drei- bis vierjährigen Arbeit ausgegangen. Dass es sie nun schon seit 20 Jahren gibt, ist auch der Finanzierung durch das Land Berlin zu verdanken. Allerdings: »Wir gelten immer noch als Projekt«, so Seyb. Damit sind regelmäßige Anträge verbunden. Sie wünscht sich künftig weniger Bürokratie und mehr Handlungssicherheit bei der Finanzierung.

Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne), der zu der Jubiläumspressekonferenz eingeladen hatte, erklärt: »Dieser Bereich steht unter meinem persönlichen Schutz«. Haushaltskürzungen infolge der Corona-Pandemie sollen, geht es nach ihm, nicht die Arbeit der Beratungsstellen gefährden. Von 2016 bis 2021 ist der Haushalt für das Landesprogramm »Demokratie. Vielfalt. Respekt. Gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus« von 3,2 auf 8,97 Millionen Euro gestiegen. Davon gehen in diesem Jahr 611.228 Euro an ReachOut, 644.984 Euro an die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus und 396.503 Euro an das Mobile Beratungsteam für Demokratieentwicklung. Die drei Projekte erhalten zusätzlich Fördergelder aus dem Bundesprogramm »Demokratie leben!«

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