Für Jens, die FDP und Brandenburg

Laura Schieritz klagte gegen das Paritätsgesetz und kandidiert für den Bundestag.

Noch in derselben Woche, in der sie 16 Jahre alt wurde, ist Laura Schieritz in die FDP eingetreten. Sieben Jahre ist das nun her. Inzwischen ist sie stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP-Jugendorganisation Junge Liberale (JuLis) und steht als deren Kandidatin in Brandenburg auf Platz drei der FDP-Landesliste für die Bundestagswahl im September. Es ist nicht das erste Mal. Schieritz ist 2017 schon einmal angetreten. Seinerzeit war sie die jüngste aller Kandidatinnen im Land Brandenburg. Sie stand auf Listenplatz fünf. Bei der märkischen FDP ist das eine völlig aussichtslose Position. Platz drei jetzt ist deutlich besser, reicht aber aller Voraussicht nach immer noch nicht aus.

Gute Chancen haben die Bundestagsabgeordnete Linda Teuteberg als Spitzenkandidatin und Eberswaldes Bürgermeister Friedhelm Boginski als Zweitplatzierter. Damit auch noch Listenplatz drei zieht, müsste die FDP bundesweit ungefähr 15 Prozent erhalten und in Brandenburg etwa 10 Prozent, hat die Partei überschlagen. »Das ist eher unwahrscheinlich«, schätzt Laura Schieritz realistisch ein. »Platz drei ist eine Ehre und eine Anerkennung - und eine tolle Chance, mich bekannter zu machen. Aber mir ist bewusst, dass dies nicht mit einem Mandat für mich endet. Doch mit 23 Jahren ist das ja nicht schlimm.«

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Sie will um Stimmen für ihre Partei kämpfen. Sie selbst braucht keinen Sitz im Bundestag, zumindest jetzt noch nicht. Denn es gibt für die junge Frau noch andere Dinge zu erledigen. Sie hat ein Lehramtsstudium für die Fächer Deutsch und Politik abgeschlossen, muss und will aber noch das Referendariat machen - und eine Doktorarbeit, die sie nebenbei schon einmal angefangen hat, könnte sie dann auch besser vorantreiben, als wenn sie ins Parlament einziehen würde.

Als Zaungast ist sie ja schon ein bisschen dort. Sie macht die Pressearbeit für den Bundestagsabgeordneten Jens Brandenburg, der sich in der FDP-Fraktion mit der Hochschulpolitik befasst. Der heißt zwar Brandenburg, kommt aber aus Baden-Württemberg. Es gibt sogar noch einen zweiten Abgeordneten namens Brandenburg in der FDP-Fraktion: Mario Brandenburg. Der ist aus Rheinland-Pfalz.

Laura Schieritz ist in Cottbus aufgewachsen und lebt inzwischen 30 Kilometer entfernt in Forst an der polnischen Grenze. Zur Arbeit im Büro von Jens Brandenburg pendelte sie nach Berlin, bis wegen der Corona-Pandemie Homeoffice angesagt war. Daheim in der Lausitz ist Schieritz Vorsitzende des FDP-Kreisverbandes. Dort tritt sie auch noch als Direktkandidatin für den Bundestag an. Im Wahlkreis trifft sie auf Brandenburgs Ex-Finanzminister Christian Görke (Linke). Die beiden Bundestagsabgeordneten Klaus-Peter Schulze (CDU) und Ulrich Freese (SPD) sind mittlerweile 66 beziehungsweise 70 Jahre alt und ziehen sich zurück. Es steht zu befürchten, dass die AfD das Rennen in dem Wahlkreis macht.

Laura Schieritz wird nicht diejenige sein, die der AfD den Wahlkreis noch wegnimmt. Umgekehrt hat ihr die AfD im Oktober vor dem Landesverfassungsgericht einen Achtungserfolg vor der Nase weggeschnappt. Ob sich Schieritz darüber ärgert? »Natürlich«, gibt sie unumwunden zu. Anfang 2019 hatte der Landtag ein Paritätsgesetz beschlossen. Es schrieb allen Parteien vor, für Landtagswahlen nach dem Jahr 2019 Listen aufzustellen, auf denen sich männliche und weibliche Kandidaten nach dem Reißverschlussprinzip abwechseln. NPD und AfD klagten dagegen, aber auch die Piraten und Laura Schieritz mit Matti Karstedt im Namen der JuLis. Das Gesetz galt als Vorbild im Kampf um Gleichstellung in den Parlamenten. Es wurde aber vom Gericht für verfassungswidrig erklärt.

Diesen Triumph voll auskosten durfte die AfD, deren Verfassungsbeschwerde zuerst behandelt wurde. »Wir hatten uns Zeit genommen, unsere Klageschrift sehr sorgfältig und ausführlich zu formulieren, und sie deshalb später eingereicht als die AfD«, erklärt Schieritz, wie es dazu kam.

Die 23-Jährige hat gar nichts dagegen, dass genauso viele Frauen wie Männer im Landtag sitzen. Dass es nicht so ist, bezeichnet sie als »Problem, das wir angehen müssen«. Zu ihrer Verfassungsbeschwerde gegen das Paritätsgesetz bewegten sie grundsätzliche Überlegungen. »Das Geschlecht soll eben kein Kriterium für die Wählbarkeit sein - weder positiv noch negativ«, betont sie, und erinnert daran, dass Frauen in Deutschland bis 1918 nicht wählen durften. Das Problem der ungleichen Verteilung der Mandate liegt ihrer Meinung nach eine Ebene tiefer, bei den Parteien, in denen sich meist weniger Frauen als Männer engagieren. Die FDP hat da eine ausgesprochen schlechte Quote. »Das ist der Punkt, an dem Parteien zuerst ansetzen müssen«, sagt Schieritz. Zu klären wäre aus ihrer Sicht: »Wo schrecken verkrustete Strukturen Frauen ab? Wie bekommen wir mehr weibliche Vorbilder in der Politik?«

Wie Laura Schieritz dazu gekommen ist, in die FDP einzutreten, kann sie kurz und bündig erklären: »Freiheit, Selbstbestimmung - das sind die Themen, die mich interessieren. Auch der Leistungsgedanke spricht mich an.« Da sei sie in der FDP genau richtig, findet sie.

Vorbilder in der Familie gab es nicht. Die Eltern sind zwar durchaus politisch interessiert, verfolgen im Fernsehen die Nachrichten und gehen wählen. Sie gehörten aber niemals einer Partei an. Der Großvater auch nicht. Der liest übrigens, um sich auf dem Laufenden zu halten, das »nd«.

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