Außenpolitik bleibt Knackpunkt für Grün-Rot-Rot

In der Linkspartei sind nicht alle begeistert von der Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.

Ein Mitte-links-Bündnis kann nach der Bundestagswahl im September nur zustande kommen, wenn die Abgeordneten einen Spitzenkandidaten aus diesem Lager zum Bundeskanzler beziehungsweise zur Bundeskanzlerin wählen würden. Nachdem sich die SPD schon vor Monaten auf den Bundesfinanzminister Olaf Scholz als Spitzenmann festgelegt hat, haben nun die Grünen nachgezogen und Annalena Baerbock nominiert. In allen bundesweiten Umfragen liegen die Grünen, zum Teil mit deutlichem Vorsprung, vor den Sozialdemokraten und auf dem zweiten Platz hinter der Union.

Die Grünen können nach dem jetzigen Stand nur die Kanzlerin stellen, wenn sie ein Bündnis mit SPD und FDP oder mit den Sozialdemokraten und der Linkspartei schmieden würden. In den Reihen der letztgenannten Partei gibt es aber zum Teil erhebliche Vorbehalte gegen das Spitzenpersonal der Grünen. Die Linke-Außenpolitikerin und Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen sagte am Montag gegenüber »nd«, sie sehe die größten Differenzen zwischen Linkspartei und Grünen »beim Thema Nato-Aggression gegen Russland und China«. Mit den Grünen sei zurzeit eine Entspannungspolitik gegenüber Russland offenkundig nicht machbar, sagte Dagdelen. »Im Gegenteil gehören die Grünen noch vor der Union und der FDP zu denjenigen, die stetig nach weiteren Sanktionen rufen.« Gemeinsamkeiten sieht die Linke-Obfrau im Auswärtigen Ausschuss dagegen beim Thema Rüstungsexporte. »Aber auch hier muss man sehen, dass sich die Grünen einem Verbot von Rüstungsexporten verweigern und in ihrer Regierungszeit zu den größten Förderern von Rüstungsexporten gehörten«, erklärte Dagdelen.

Ein Konfliktthema zwischen Sozialdemokraten und Grünen auf der einen sowie der Linkspartei auf der anderen Seite sind die zahlreichen Auslandseinsätze der Bundeswehr. Allerdings wird bald ein besonders umstrittener Einsatz beendet. Nach der Ankündigung von US-Präsident Joe Biden, die Kriegsbeteiligung seines Landes in Afghanistan zu beenden, erklärte auch die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), alle deutschen Kräfte bis Mitte August aus dem Land abziehen zu wollen.

Dagdelen wies gegenüber dem »nd« darauf hin, dass mit Afghanistan nun »einer von insgesamt 19 Auslandseinsätzen der Bundeswehr nach 20 Jahren beendet« werde. Das sei gut so. »Es wäre wünschenswert, wenn der Abzug ein Umdenken bei SPD und Grünen im Hinblick auf Auslandseinsätze der Bundeswehr befördert. Ich bin da allerdings skeptisch, denn der Abzug aus Afghanistan wurde allein in Washington entschieden, während SPD und große Teile der Grünen bis zuletzt an dem Nato-Krieg um geopolitischen Einfluss festhielten«, erklärte Dagdelen. Die Linkspartei bleibe aus guten Gründen bei ihrem Nein zu Auslandseinsätzen.

Als im Bundestag über eine letzte Verlängerung des Einsatzes in Afghanistan abgestimmt wurde, hatte sich Baerbock enthalten. Die Abgeordneten der Grünen entscheiden von Fall zu Fall. Baerbock hat beispielsweise gegen die Weiterführung der Militärmission im Irak gestimmt. Dagegen befürwortet sie die Beteiligung der Bundeswehr an der UN-Mission in Mali.

Die Linksparteichefin Susanne Hennig-Wellsow erklärte am Montag vor Journalisten in der Berliner Parteizentrale, dass sie der Kanzlerkandidatin der Grünen »von Frau zu Frau« gratuliere. »Es braucht mehr Frauen in der Politik und in der Spitze, um andere Frauen zu ermutigen, in die Politik zu gehen«, sagte sie. Hennig-Wellsow stellte klar, dass sich die Linkspartei nicht in personelle Fragen anderer Parteien einmische. »Es geht uns um Inhalte. Für uns ist es entscheidend, dass es in eine soziale, solidarische und ökologische Richtung geht. Alles Weitere wird sich nach der Bundestagswahl zeigen«, sagte die Parteivorsitzende. Es dürfe nicht nur über die Bekämpfung des Klimawandels geredet werden. Es müsse auch begriffen werden, dass der Kampf gegen den Klimawandel mit sozialer Absicherung und Existenzsicherung einhergehen müsse. Dann käme die Linke mit den Grünen übereinander, so Hennig-Wellsow.

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter, er freue sich »auf den politischen Ideenaustausch im Wahlkampf mit Baerbock«. FDP-Generalsekretär Volker Wissing nannte es »problematisch«, dass die Kanzlerkandidatin der Grünen ihr Verhältnis zur Linkspartei offen gelassen habe. »Eine Regierung anführen zu wollen, ist ein legitimer Wunsch. In diesem Fall ist man den Wählerinnen und Wählern allerdings eine klare Aussage schuldig, welche Richtung man einschlagen möchte«, erklärte Wissing.

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