Ein gutes Stück sicherer nach Rana Plaza

»Bangladesh Accord« läuft aus - Initiative fordert neues Abkommen zum Schutz von Textilarbeiter*innen im Land

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 3 Min.

Auch fast acht Jahre nach dem Unglück steht Rana Plaza für das, was in den internationalen Lieferketten falsch läuft. Am 24. April 2013 stürzte das achtstöckige Fabrikgebäude in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka ein. 1136 Arbeiter*innen kamen bei der Tragödie ums Leben. Jedes Jahr wird der Opfer der Katastrophe gedacht, die beispiellos in der Geschichte der weltweiten Textilindustrie ist. Fünf Textilfabriken produzierten in dem Gebäude, meist für große Modefirmen, deren Produkte auch in deutschen Kleiderschränken hängen, mahnt die Kampagne für saubere Kleidung (CCC) anlässlich des Jahrestages.

Aus gutem Grund: Der »Bangladesh Accord«, auf den sich Gewerkschaften, Modemarken und zivilgesellschaftliche Akteure nach dem vermeidbaren Unglück verständigt haben, steht vor dem Ende. Im Kontext des Abkommen wurden rund 1600 Textilfabriken in 38 000 Inspektionen überprüft, bauliche Veränderungen, Brandschutzmaßnahmen und Umbauten an der Elektrik wurden daraufhin vorgenommen. »Alle Informationen stehen en détail im Internet - es wird überaus transparent gearbeitet. Der Accord hat die Fabriken sicherer gemacht«, meint Gisela Burckhardt, Vorstandsvorsitzende von Femnet und Textilexpertin der Kampagne für saubere Kleidung.

Ende Mai 2021 läuft das rechtsverbindliche Abkommen über Brandschutz und Gebäudesicherheit aus. Dagegen protestiert Babul Akhter, Gewerkschafter der Bangladesh Garment & Industrial Workers Federation: »Der Accord ist sehr wichtig, da er unabhängig und neutral arbeitet und sich sowohl im Ausland als auch bei den Arbeiter*innen einen guten Ruf und Glaubwürdigkeit erworben hat. Er garantiert die Sicherheit des Arbeitsplatzes für die Arbeiter*innen«, so der Gewerkschafter, dessen Organisation das Abkommen mit unterzeichnet hat.

Wie wichtig der Vertrag ist, zeigt ein neuer, tödlicher Brand bei der Firma Dhaka Garments and Washing in Gazipur, einer Stadt in Bangladesch, Anfang März, bei dem ein Mensch starb und 42 verletzt wurden. Laut Aussagen der Arbeiter*innen hatte die Unternehmensleitung ihnen zunächst verboten, das Gebäude zu verlassen. Dies ist kein Einzelfall. Auch in Indien und Ägypten starben 12 beziehungsweise 20 Arbeiter*innen bei einer Explosion und einem Brand in einer Textilfabrik in den letzten Monaten.

Deshalb forderte die CCC-Kampagne Modemarken und Einzelhändlern auf, bis Juni 2021 ein neues Abkommen für Bangladesch zu unterschreiben, dass eine Stärkung des Arbeitsschutzes und einen Beschwerdemechanismus beinhalten soll.

Ob die Regierung in Dhaka das Abkommen auch unterschreiben wird, ist fraglich. Vor zwei Jahren wollte sie das alte Abkommen nicht verlängern, sondern eigene Institutionen aufbauen, um die Textilfabriken zu kontrollieren. Doch bisher fehlen in Bangladesch sowohl die geeigneten Institutionen als auch die Fachleute, monieren Experten und Gewerkschafter. Auch bei den Auftraggebern für den Textilsektor des Landes, der rund 26 Milliarden Euro Umsatz macht, ist das Ende des Accords nicht per se gewollt.

Die Frage steht im Raum, weshalb ein erfolgreiches System auslaufen soll, denn die Unternehmen haben schließlich auch eine Sorgfaltspflicht, meinte Textilexpertin Gisela Burckhardt im Interview mit dieser Zeitung vor einem Jahr und wies dabei auch auf die soziale Situation der Textilarbeiter*innen in der Pandemie hin. Die hat sich ein Jahr später weiter verschärft, worauf auch die weltweite Industriegewerkschaft IndustriALL aufmerksam macht. Stornierte Bestellungen in Milliardenhöhe führen zu Arbeitslosigkeit oder zu gekürzten Löhnen und zu Hunger. 80 Prozent der Arbeiter*innen sollen einer Studie zufolge nicht genug zu essen haben.

Mehr Verantwortung fordert IndustriALL von den Auftraggebern ein und wirbt für die Beibehaltung des Accord, um Katastrophen wie Rana Plaza zu verhindern. Dazu könnte auch das geplante Lieferkettengesetz beitragen, so IndustriALL und die Kampagne für saubere Kleidung. Es brauche ein starkes Gesetz, damit Menschenrechte in den Lieferketten wirklich geachtet werden. Auch da lässt sich aus der Tragödie von Rana Plaza lernen, denn längst nicht alle Auftraggeber von Rana Plaza haben in den Fonds für die Opfer des Unglücks eingezahlt, viele taten dies nur sehr zögerlich. Darunter auch deutsche.

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