In die nächste Reform getrieben

Schlanker, entscheidungsfreudiger und reaktionsschneller – Verteidigungsministerium plant Zukunft der Bundeswehr ohne die Betroffenen

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) wird aktiv. Sie tourt durch die Truppe, gibt auch dort, wo sie nicht gefragt wird, Statements ab. Es scheint so, als wolle sie ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl zeigen, dass sie ihr Ministergehalt zurecht bekommt.
Doch daran kann man aus vielen Gründen zweifeln. Beispiel Kommando Spezialkräfte (KSK). Es lässt sich nicht behaupten, dass die Ministerin sich an die Spitze der Aufklärung gestellt hat oder stellt, wenn es um die Aufdeckung möglicher rechtsextremer Strukturen in der Elitetruppe geht. Diese Kritik betrifft auch die Frage, wo die Munition geblieben ist, die im KSK »abgängig« ist. Gleichfalls keine »gute Figur« macht Kramp-Karrenbauer beim Rückzug der deutschen Truppen aus Afghanistan. Auch dabei ist Transparenz nicht die starke Seite der obersten Befehlshaberin in Friedenszeiten.
Kein Zweifel, die CDU-Frau, die seit 2019 an der Spitze des Verteidigungsministeriums steht, ist Arbeitgeberin für derzeit knapp 185.000 Soldatinnen und Soldaten und eigentlich auch zuständig für die strategische Ausrichtung der Truppe. In der Frage scheint Kramp-Karrenbauer nun tatsächlich etwas bewirken zu wollen.

Jedenfalls suggeriert sie das mit Überlegungen zu einer »Bundeswehr der Zukunft«. Das Schlagwort haben sie und der Generalinspekteur Eberhard Zorn bereits im Februar in die Öffentlichkeit entlassen. Seither gibt es aus ihrem Haus immer nur Andeutungen dazu. In der vergangenen Woche sickerten Einzelheiten durch. Das ließ sich wohl nicht mehr verhindern, nachdem es bereits mystische und zugleich warnende Wortmeldungen aus den obersten Etagen des Sanitätswesens und der Streitkräftebasis gab.

Kein Wunder, denn diese bislang eigenständigen Bundeswehr-Bereiche sollen nun in die anderen vier – Heer, Luftwaffe, Marine, Cyberabwehr – eingegliedert werden. Außerdem ist geplant, neben dem bestehenden Auslandsführungskommando ein neues Inlandskommando zu schaffen. Das soll für die Verteidigung des Nato-Bündnisgebiets und für die Landesverteidigung zuständig sein. Mit der Umstrukturierung stellen sich natürlich auch Fragen zur Standortverteilung – auch wenn das Ministerium versichert, dass keine Veränderungen geplant sind.

Der geplante gravierende Umbau der Bundeswehr soll – wie alle anderen Reformen, Transformationen und Neuausrichtungen in den vergangenen zwei Jahrzehnten – dazu führen, dass die deutschen Streitkräfte schlanker, ihre Stäbe entscheidungsfreudiger und die Truppe damit insgesamt reaktionsschneller wird. Für diese Ziele hätte Kramp-Karrenbauer womöglich ohne allzu viel Debatten die Mehrheit im zuständigen Verteidigungsausschuss begeistern können. Allerdings nur, wenn die Pläne ausgereift wären. Doch dem ist nicht so. Daher versuchte die Ministerin gar nicht erst, um »gut Wetter« zu bitten. Sie vertröstet die Abgeordneten auf Mitte Mai, dann wolle sie das Konzept vorlegen.

Mit ihrer bisherigen Zurückhaltung hat die Ministerin nur eines erreicht: Unsicherheit in der Truppe. Auch wenn es bei der Truppe – anders als in der Wirtschaft – keine Entlassungen geben wird, so wächst doch besonders in den abzuschaffenden Bereichen der Unmut. Zumal gerade die Frauen und Männer des Sanitätsdienstes in der aktuellen Pandemiesituation ihre Leistungsfähigkeit zeigen.

Auch die Streitkräftebasis wurde unlängst noch hoch gelobt, weil sie einen wichtigen Beitrag leiste, um Deutschland zu einer logistischen Drehscheibe der Nato umzubauen. Dass bei den Umstrukturierungen die Cypertruppe faktisch aufgewertet wird, betrachten Kritiker des Militärs allerdings als eine Zukunftsentscheidung, die besorgt macht.
In den vergangenen Jahren ist der Verteidigungsetat permanent gestiegen. Derzeit beträgt er 46,93 Milliarden Euro, das sind 2,8 Prozent mehr als 2020. Eine weitere Anhebung ist trotz der enormen gesamtgesellschaftlichen Corona-Belastungen geplant. Begründet wird das vor allem mit der Gefahr, die angeblich aus Russland droht. Man hat umfangreiche Mittel für neue Waffen und Geräte bekommen, doch vieles, was die Industrie liefert, ist nicht ausgereift, geschweige denn einsatzfähig. Wenn die Bundeswehr noch in diesem Jahr zum dritten Mal den Kern der Nato-Speerspitze zusammenstellt, wird – wie beim Einsatz der ersten Nato-Eingreiftruppe 2015 – eine Materialsammelaktion beginnen.

Kritik der Opposition richtet sich derzeit vor allem gegen die Art und Weise, wie das Ministerium auf Nachfragen reagiert. Selbst Wehrexperten von Union und SPD sehen in der »Bundeswehr der Zukunft« bislang kaum mehr als eine Fata Morgana. Der verteidigungspolitische Sprecher der Linksfraktion, Tobias Pflüger, moniert überdies, »dass so ein Thema mittendrin im Wahlkampf« losgetreten wird. In der Tat fragt man sich, ob so der kommenden Regierung bereits Vorgaben gemacht werden sollen.

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