Gold für die Katze

Wasserspringer Patrick Hausding gewinnt in Budapest seinen 16. EM-Titel

  • Andreas Morbach
  • Lesedauer: 4 Min.

Patrick Hausding ist eine außergewöhnliche Erscheinung unter den besten Wasserspringern der Welt. Allein von seiner Statur her kann außer dem Berliner kaum jemand in der Branche 1,80 Meter Körpergröße und 78 Kilogramm Gewicht aufbieten. Seine vergleichsweise wuchtige Erscheinung nutzt Hausding bei passender Gelegenheit gerne mal aus. So wie im Finale vom 1-m-Brett, von dem er am Mittwochabend in Budapest überlegen zum Europameistertitel sprang, ehe er anschließend munter über den psychologischen Teil seiner Auftritte plauderte.

»Ich bin physisch stark und wiege mehr als andere. Das ist eine meiner Stärken«, erklärte Hausding - nachdem er das Brett beim Anspringen mit beeindruckender Höhe mehrfach so stark durchgebogen hatte, dass dessen vordere Kante die Wasseroberfläche durchbrach. »So etwas schindet natürlich Eindruck«, lächelte der deutsche Vorzeigespringer, der die beste Punktzahl seiner langen Karriere in einem internationalen Wettkampf erzielte und den britischen Sprungstar Jack Laugher mit deutlichem Vorsprung auf Rang zwei verwies.

Hausdings Vorführungen in der Duna Arena wirkten, als habe der 32-Jährige Sprungfedern unter die Fußsohlen montiert. Doch bei seinem insgesamt 16. EM-Gold musste er nicht auf unzulässige Hilfsmittel zurückgreifen, vielmehr profitierte er auch von seinem leicht veränderten Anlauf. Den eignete sich der Springer vom Berliner TSC in der langen Coronapause an, um sein durch einen Meniskusschaden lädiertes rechtes Knie zu entlasten - und um im Synchronspringen vom 3-m-Brett mit Partner Lars Rüdiger mehr Punkte zu sammeln.

Am Donnerstagabend kämpfte das DSV-Duo (nach Redaktionsschluss) gemeinsamen aus drei Metern um das nächste Stück Edelmetall. An diesem Freitag startet Hausding dann im Einzel vom 3-Meter-Brett in die Qualifikation. Es ist jene Disziplin, in der er bei den Spielen 2016 in Rio nach 104-jähriger Flaute wieder eine olympische Medaille für Deutschland eingeheimst hatte.

Für diese spezielle Leistung finanziell besonders belohnt sah sich der erfolgreichste aller deutschen Wasserspringer aber nicht. Er habe gute Zeiten mit Sponsoren gehabt - und Jahre, in denen es nicht so gut lief, erzählte Hausding vor der WM 2019 im nd-Gespräch und nannte damals auch einige Details: »Ich hatte über zwei Jahre einen Ausrüstervertrag - der nach Olympia in Rio, wo ich den größten Einzelerfolg meiner Karriere hatte, eingestellt wurde. Ich hatte auch mal einen gesponserten Leasingwagen, aber damit war es nach Rio ebenfalls vorbei. Obwohl ich dort nach einer absolut guten Saison ein super Ergebnis abgeliefert habe.«

Er habe lernen müssen, so Hausding, dass es nicht immer um Erfolge gehe, »sondern dass für die Sponsoren die Wirtschaftlichkeit nach Olympia auf einmal vorbei« sei. Die Freude an seinem Sport ließ er sich dadurch nicht nehmen, ebenso wenig durch die Verlegung der Tokio-Spiele um ein Jahr im vergangenen Frühling - oder durch die extrem lange Wettkampfpause von 15 Monaten, die für ihn erst Anfang Mai beim Weltcup in Tokio endete. »Ich bin jemand, den Herausforderungen eher stärken«, erläuterte Hausding vor den Europameisterschaften in Budapest. In der ungarischen Metropole holte er gemeinsam mit Tina Punzel, Christina Wassen und Lou Massenberg zum Auftakt bereits Bronze im Team. Mit Rang vier im gemischten Turm-Synchronspringen verpasste er an der Seite der zehn Jahre jüngeren Wassen danach die Medaillenränge nur knapp.

Weitere 26 Stunden später stand Hausding dann ganz oben auf dem Siegerpodest und strahlte über seine insgesamt 35. EM-Medaille: »Ich bin sehr zufrieden mit meiner heutigen Leistung. Ich habe mich sehr stark gefühlt - und es hat großen Spaß gemacht, hier zu springen.«

Spaß hätte der Deutsche Schwimm-Verband auch, wenn sein Medaillengarant nach den Spielen von Tokio mit dem Leistungssport noch ein bisschen weitermachen würde. Hausding hat mehr als eine Dekade geprägt: Das erste Ausrufezeichen setzte bei seiner Olympiapremiere 2008 in Peking, wo er mit seinem langjährigen Synchronpartner Sascha Klein Silber vom Turm holte. 2013 gewann das Duo in Barcelona dann WM-Gold und besiegte dabei sogar die vermeintlich unschlagbaren Chinesen.

Bundestrainer Lutz Buschkow adelte Hausding in der Vergangenheit gerne mal als »Kampfschwein«. Oder, wegen seiner außerordentlich guten Orientierung bei den diversen Schrauben und Salti, auch als »Katze« - eine Spezies, die selbst aus großer Höhe fallend stets auf den Beinen landet.

In zwei Monaten wird Patrick Hausding zu seiner vierten Olympiarunde in Tokio landen. Die Spiele in Japan werden seine letzten sein. Ob es danach für ihn noch eine weitere EM oder WM gibt, will der nervenstarke Wasserspringer mit der großen Sprungkraft erst nach den olympischen Erfahrungen in diesem Sommer entscheiden.

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