Land unter am Mekong-Delta

Klimawandel, die Absenkung des Bodens und Salzwasserintrusion verändern den Süden Vietnams rasant

  • Philip Degenhardt
  • Lesedauer: 6 Min.

Der Klimawandel scheint in der dicht besiedelten Region am Mekong-Delta schon jetzt enorme Auswirkungen hervorzurufen. Was sind die dringendsten Herausforderungen, die es dort derzeit gibt?

Die Probleme und Herausforderungen sind vielfach. Zum Beispiel gibt es Wetterschwankungen aufgrund des Klimawandels. Zudem wird die landwirtschaftliche Produktion in der Region durch Veränderungen des Mekongs beeinträchtigt. Hauptgrund dafür sind die Stauseen der stromaufwärts gelegenen Wasserkraftwerke. Problematisch sind auch eine zu starke Intensivierung der Landwirtschaft und der Fischerei sowie eine übermäßige Grundwasserentnahme, die zu einer schnelleren Landabsenkung führt.

Die Region erlebt derzeit eine rasante Urbanisierung, mit der die Infrastruktur nicht Schritt halten kann. Diese Faktoren beeinträchtigen die natürlichen Ökosysteme und verstärken die Verschmutzung von Land und Wasser. Dies führt zu sozioökonomischen Problemen wie einem geringeren Einkommen und Arbeitsplatzverlusten und verstärkt damit die Armut der Bevölkerung.

Nguyen Hieu Trung

Nguyen Hieu Trung ist Direktor des Forschungsinstituts für Klimawandel an der Universität Can Tho. Das 2008 im Rahmen eines Abkommens zwischen den USA und Vietnam gegründete Institut arbeitet an strategischen Lösungen für gesunde Ökosysteme in großen Flussdeltas in einem sich verändernden Klima. Mit Nguyen Hieu Trung sprach Philip Degenhardt, Regionalbüroleiter Südostasien der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Hanoi. Übersetzt wurde das Gespräch von Phung Quynh Nga.

Viele dieser Probleme sind allerdings überregionalen und sogar globalen Ursprungs und werden nicht allein von der Bevölkerung und den Behörden im Mekong-Delta zu bewältigen sein.

Gibt es unterschiedliche Auswirkungen innerhalb der verschiedenen Regionen des Deltas?

Das Mekong-Delta kann in drei Regionen unterteilt werden. In diesen gibt es jeweils unterschiedliche Auswirkungen. Das erste Gebiet im Landesinneren ist durch Überschwemmung gekennzeichnet, die durch die jährliche Überflutungssaison intensiviert wird. Die Hochwasserschutzstrategie für diese Ökoregion wurde mit der Schließung von Deichen in überfluteten Gebieten verbunden für einen intensiven Dreifelder-Reisanbau. Langfristig kann jedoch die landwirtschaftliche Produktion angesichts von Bodendegradation und Bodensenkungen zurückgehen. Wenn dann Stürme und Überschwemmungen stärker als üblich auftreten, führt dies zu vermehrten Überschwemmungen.

Das zweite Gebiet ist das mittlere Süßwasserschwemmland. Das ist eine dynamische Region mit Wechselwirkungen zwischen überfluteten Gebieten und der Küste. Die Probleme dieser Region liegen in großen Schwankungen in der Art der Überschwemmung: Tief- und Langzeitüberschwemmungen während der Regenzeit sowie Wechsel von nicht salzigem zu salzigem Wasser während der Trockenzeit. Viele Gebiete in dieser Region müssen ihre Produktionsstruktur ständig ändern, um sich an die Schwankungen der Wassermassen anzupassen.

Das dritte Areal ist die Küstenregion. Hier liegen die Probleme in einer Verringerung der Küstenwaldfläche, im Eindringen von salzigem Meerwasser und der Übernutzung des Grundwassers. All dies beschleunigt das Absinken des Bodens. Bodensenkungen verursachen mehr negative Auswirkungen als der Anstieg des Meeresspiegels. Die Hauptursache ist die Entnahme von Grundwasser. Sollte dieser Prozess anhalten, werden wir in Zukunft für den Hochwasserschutz, die Folgen der Migration und den Verlust der landwirtschaftlichen Produktivität zahlen müssen.

Welche Rolle spielt der Klimawandel bei den aktuellen Herausforderungen?

Der Klimawandel beeinflusst die Niederschlagsverteilung während der Regenzeit. Dies erhöht das Auftreten von großen Stürmen und Überschwemmungen in den flussaufwärts gelegenen Provinzen. Der Klimawandel kann die Trockenzeit verlängern, was die Wassermenge des Mekong reduziert und zu Süßwassermangel führt. Dadurch kann Salzwasser aus dem Meer in die Hauptflüsse und Kanäle eindringen. Die Süßwasserlandwirtschaft, Fischerei sowie die häusliche Wasserversorgung sind dann stark beeinträchtigt.

Da die Wetterverhältnisse extremer werden, sind Auswirkungen des Klimawandels auch in den flussaufwärts gelegenen Ländern zu beobachten. Diese müssen Maßnahmen ergreifen, um die Wassermenge zu regulieren. Dies hat meistens negative Auswirkungen auf für die Menschen, die im Mekong-Delta leben.

Welche Auswirkungen sind das?

Wenn zum Beispiel schwere Stürme an der Quelle auftreten, müssen die Staudämme schnell große Wassermengen ablassen. In den flussabwärts gelegenen Gebieten führt dies dann zu Überschwemmungen. Wenn andererseits die Regenmenge flussaufwärts geringer ist als üblich, speichern die Dämme eine größere Wassermenge. Gleichzeitig reduziert sich die ins Mekong-Delta fließende Wassermenge, was wiederum bei Flut zu einem Eindringen von Salzwasser in die Küstengebiete führt.

Das Mekong-Delta steht also vor einer multidimensionalen Krise: sinkende Wasserstände im Mekong, Eindringen von Salzwasser in das Delta und Absenkung des Bodens. Welche Auswirkungen hat dies auf Vietnams sogenannte »Reisschüssel« und die landwirtschaftliche Produktion?

Verglichen mit der Dürre und dem Eindringen von Salzwasser in den Jahren 2015 und 2016 waren die Jahre 2019 und 2020 im Mekong-Delta viel gravierender. In den Küstenprovinzen wurden Tausende Hektar Reis im späten Winter und im Frühjahr von den Landwirten ausgesät, aber durch den Wassermangel gab es dann große Verluste bei der Ernte.

Darüber hinaus muss das Problem der Bodensenkungen und der Erosion der Flussufer im Mekong-Delta angegangen werden. Die Forschungsergebnisse des Rise-and-Fall-Projekts (einer Zusammenarbeit zwischen der Universität Can Tho und der Universität Utrecht in den Niederlanden, Anm. d. Red.) zeigen, dass die durchschnittliche Bodenhöhe im Mekong-Delta um etwa zwei Zentimeter pro Jahr sinkt. Ein Hotspot ist die Halbinsel Cà Mau. Dadurch verringert sich die Gesamtfläche, auf der Reisanbau möglich ist. Gleichzeitig steigen die Produktionskosten, da das Deichsystem und die Schleusentore aufgerüstet werden müssen.

Vor welchen Herausforderungen stehen die Kleinbauern?

Zu den größten Herausforderungen gehören eine wachsende Intensität extremer und unregelmäßiger Wetterereignisse. Aber nicht nur die Auswirkungen des Klimawandels sind gravierend, sondern den Landwirten fehlen auch Informationen und ein Bewusstsein über diese Veränderungen. Außerdem fehlt es an Kapital, Zeit, Arbeitskraft sowie materiellen Ressourcen, um die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern. Selbst wenn die Landwirte in der Lage sind, sich gut an den Klimawandel anzupassen, können die Produktpreise schwankend sein, da der Zugang zu stabilen Märkten fehlt. Weitere Herausforderungen, die nicht übersehen werden sollten, sind eine schlechte Verkehrsinfrastruktur, Dürren, Umweltverschmutzung und der Bau von Häusern, die Überschwemmungen nicht standhalten.

Welche neuen Methoden in der landwirtschaftlichen Produktion könnten diese Bauern anwenden?

Da gibt es einige: Erstens können sie Wasser sparen, indem sie automatische Bewässerungssysteme für den Anbau von Gemüse und Obst installieren. Zweitens kann das Süßwasser aus der Regenzeit in Teichen, Seen und Gartengräben gespeichert werden, um es in der Trockenzeit zu nutzen. Drittens können wir durch den Anbau von Gemüse in Netzhäusern und Gewächshäusern sowie durch Garnelenzucht mit Bodenauskleidung die Auswirkungen von Naturkatastrophen verringern. Viertens können durch den Einsatz von Modellen mit geschlossenem Nährstoffkreislauf wie beim kombinierten Fisch-Reis-Modell oder beim Reis-Fisch-Lotus-Tourismus-Modell die Emissionen auf ein umweltfreundliches Maß reduziert werden.

Die Reisproduktion am Mekong-Delta hat Einfluss auf die Ernährungssicherheit vieler Länder. Wie werden sich diese Veränderungen auf Vietnam und in der Region auswirken?

Das Mekong-Delta ist die größte reisexportierende Region Vietnams, 90 Prozent der Reisexporte des Landes und 70 Prozent der Meeresfrüchteproduktion kommen von hier.

Der Klimawandel beeinträchtigt das Wachstum, die Ernteerträge und die Pflanzsaison und erhöht das Risiko von Krankheiten der Pflanzen. Die daraus unmittelbar resultierenden Folgen sind geringere Erträge und eine geringere Produktivität. Dies wirkt sich insbesondere auf das Einkommen der Landwirte sowie die Ernährungssicherheit Vietnams, aber auch auf den Rest der Welt aus.

Wie will die vietnamesische Regierung diese Probleme angehen?

Der nationale Plan zur Anpassung an den Klimawandel umfasst drei Lösungsansätze: Erstens geht es um die Stärkung von staatlichen Managementkapazitäten, um auf die Anforderungen, die der Klimawandel hervorruft, effektiv reagieren zu können. Zweitens soll die Anpassungsfähigkeit von Gemeinden, Wirtschaftssektoren und Ökosystemen gestärkt werden. Drittens wird die Katastrophenvorsorge und Schadensminderung gefördert. Dafür werden regionale Koordinationsinstitutionen und Mechanismen für eine nachhaltige Entwicklung am Mekong-Delta aufgebaut. Dazu zählen beispielsweise die wissenschaftliche Forschung und die technologische Entwicklung, aber auch die Stärkung einer internationalen Zusammenarbeit. Nicht zuletzt muss aber auch die Öffentlichkeit für die Auswirkungen des Klimawandels noch stärker sensibilisiert werden.

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