Keine Ausreise für Friedensaktivisten

Delegation mit Ziel kurdische Autonomiegebiete im Irak wurde am Düsseldorfer Flughafen festgesetzt

Politiker und Aktivisten aus Deutschland wollten am Samstag von Düsseldorf aus in die kurdischen Autonomiegebiete im Irak reisen. Die Gruppe bildete eine Friedensdelegation. Eines ihrer Ziele: zwischen der kurdischen Autonomieregierung in Erbil und der PKK vermitteln. Der Konflikt zwischen der PKK und den Sicherheitskräften der Autonomieregierung spitzte sich in den vergangenen Wochen zu, dabei soll es zu Gefechten mit Opfern auf beiden Seiten gekommen sein. Doch die Reise der Friedensdelegation endete in einem fensterlosen Flur der Bundespolizei am Düsseldorfer Flughafen.

Schon bei der Ankunft am Flughafen sei Cansu Özdemir, Fraktionsvorsitzende der Linken in der Hamburger Bürgerschaft, ein »sehr auffälliger« Herr ins Auge gefallen. Er sei um die sich treffende Delegation herumspaziert, habe sie fotografiert und auf dem Weg zur Sicherheitskontrolle auf »Schritt und Tritt« verfolgt. Özdemir vermutet, dass der Mann für den Verfassungsschutz arbeitet. Nach dem Passieren der Sicherheitskontrolle war der Mann nicht mehr zu sehen, dafür traten nun Bundespolizisten in Erscheinung.

Sie »kesselten« die Gruppe ein, und zwangen sie, ihnen in den Bereich der Polizei zu folgen. Hier wurden den Delegationsmitgliedern die Pässe abgenommen; sie wurden einzeln verhört. Auf Fragen, was das Vorgehen solle, hätten die Bundespolizisten geantwortet, dass es »Anweisungen von oben« gäbe, die Gruppe nicht ausreisen zu lassen, erzählt Cansu Özdemir. Was genau der Hintergrund war, erfuhren die Delegationsmitglieder, als die ersten Verhöre beendet waren und Mitglieder der Gruppe eine »Ausreiseuntersagung« bis zum 12. Juli für den Irak erhielten.

Dieses Schreiben der Bundespolizei hat es in sich. Pauschal wird den Delegationsteilnehmern unterstellt, in der Vergangenheit an »zum Teil gewaltsamen Aktionen, im Kontext von PKK-nahen Veranstaltungen gegen Sicherheitskräfte im In- und Ausland in Erscheinung getreten« zu sein. Auch bestehe die Gefahr, dass sie sich der Guerilla anschlössen oder als »menschliche Schutzschilde« für die PKK fungieren könnten.

Die politische Begründung für das Ausreiseverbot ist allerdings eine andere. Durch die Einmischung in den Konflikt, die von der Bundespolizei als PKK-Unterstützung bewertet wird, »werden erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland berührt«. Es bestehe die Gefahr, dass die »Beziehungen« zum »Nato-Partner Türkei« weiter »negativ belastet« werden könnten. Deswegen sei eine Ausreise zu verweigern.

Özdemir möchte gegen den Vorgang juristisch vorgehen. Die Bundespolizei schreibt in einer Mitteilung, dass vier Personen hätten ausreisen dürfen. Außerdem behauptet die Behörde, Özdemir habe sich »zunächst nicht als Abgeordnete zu erkennen gegeben«, was diese bestreitet. Die Präsidentin der Hamburger Bürgerschaft, Carola Veit (SPD), bezeichnete den Vorgang gegenüber dem NDR als »äußerst befremdlich«, sie kündigte an, sich um die Klärung des Vorgangs zu kümmern.

Die politische Bewertung von Cansu Özdemir fällt eindeutig aus. Die Bundesregierung habe »kein Interesse« an Frieden im Mittleren Osten. Wichtiger sei es ihr, der Türkei zu gefallen. Sie spricht von einem »abgekarteten Spiel« an dem die Bundesregierung, die Regierung Erdogan und auch die kurdische Autonomieregierung beteiligt gewesen seien. Das Festhalten der Menschen am Flughafen erinnere an »Erdogan-Methoden«, die von der deutschen Polizei angewandt worden seien, um den türkischen Präsidenten »zufriedenzustellen«. Das Agieren der kurdischen Autonomieregierung vergleicht Özdemir mit den 1990er Jahren, als sich irakische Kurden mit der Türkei gegen die PKK verbündet hatten. Ziel damals wie auch aktuell sei es gewesen, die PKK vom Territorium der Autonomieregierung zu vertreiben.

Dass man in Erbil nicht glücklich mit der Friedensdelegation ist, konnten einige Mitglieder, die nicht in Deutschland aufgehalten worden waren, am Samstag erleben. Sie sollen am Flughafen in Erbil festgehalten worden sein. Das Ziel: sie direkt zurück nach Deutschland schicken. Der Berliner Linken-Abgeordnete Hakan Taş ist nach Angaben der kurdischen Nachrichtenagentur ANF 15 Stunden von Sicherheitsbehörden in Erbil in Gewahrsam gehalten worden. Behördenvertreter in Erbil hätten ihm geraten, sich aus »gewissen Sachen« herauszuhalten.

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Er fühle sich »psychisch unter Druck gesetzt« erklärte Taş. Der Parteivorstand der Linken kritisierte ebenso wie das Klimabündnis Ende Gelände und die anarchosyndikalistische Gewerkschaft FAU, deren Mitglieder ebenfalls von den Ausreisesperren betroffen waren, die Maßnahmen. Alle warfen der Bundesregierung vor, Friedenspolitik zu behindern.

Andere Delegationsmitglieder, die schon seit mehreren Tagen in Kurdistan sind, berichten, dass sie ihre politische Arbeit aufnehmen konnten. Bisher besuchten sie unter anderem Mitglieder der yezidischen Minderheit und ein Flüchtlingslager.

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