Ikea in Frankreich wegen Bespitzelung verurteilt

Manager erhalten Bewährungs- und Geldstrafen für die Ausspähung von Angestellten und Gewerkschaftern

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Drei Monate nach dem Prozess gegen die Frankreich-Filiale der Möbelhausgruppe Ikea wegen der Bespitzelung von Mitarbeitern wurde am Dienstag das Urteil verkündet. Ikea France wurde zu einer Strafe von einer Million Euro verurteilt und der seinerzeitige Vorstandsvorsitzende Jean-Louis Baillot zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung und 50 000 Euro Geldstrafe. Der Richter glaubt ihm nicht seine über die ganze Dauer des Prozesses wiederholte Versicherung, dass er weder das Ausspionieren veranlasst noch davon gewusst hat. Der für Personal und Sicherheit zuständige Direktor Jean-François Paris, der geständig war und seinen Chef belastete, erhielt 18 Monate Gefängnis, die ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt wurden, und eine Geldstrafe von 10 000 Euro.

Weitere 13 Angeklagte - neun Ikea-Manager und vier Polizisten - kamen mit milderen Strafen davon. An die 70 Nebenkläger muss das Unternehmen Schadenersatz zahlen, dessen Höhe von den Richtern festgesetzt wurde. Das Urteil lautet auf »massenweise illegale Überwachung« und »Missbrauch persönlicher Daten und Informationen«. Das Gericht sah als erwiesen an, dass Ikea zwischen 2009 und 2012 systematisch mehrere Hundert Mitarbeiter und vor allem Gewerkschafter, aber auch Kunden oder Bewerber um einen Arbeitsplatz überwachen und ausspionieren ließ. Die Richter stellten fest, dass dieses gesetzwidrige Verhalten regelrecht »institutionalisiert« wurde. Dazu bedienten sich die Manager einer Privatdetektei, die auf solche mehr als fragwürdigen »Dienstleistungen« spezialisiert war. Die Schnüffler arbeiteten mit Polizisten zusammen, die unberechtigterweise Informationen aus internen Datenbanken der Sicherheitskräfte abgefragt haben. Dafür hat der Finanzdirektor Jahr für Jahr einen Budgetposten mit fingiertem Verwendungszweck eingeplant.

Das Urteil fiel milder aus, als von der Staatsanwaltschaft gefordert. Sie plädierte für die Firma auf eine Geldstrafe von zwei Millionen Euro und für Baillot auf Haft ohne Bewährung. Emmanuel Daoud, der Anwalt von Ikea France, hat Journalisten gegenüber bereits angekündigt, dass das Unternehmen keinen Einspruch einlegen wird. Er begründete das damit, dass das Gericht bei seinem Urteil berücksichtigt habe, dass bei Ikea aus den Enthüllungen Schlussfolgerungen gezogen wurden, um eine Wiederholung zu verhindern. Das innerbetriebliche Verfahren, das den Schutz persönlicher Daten garantieren soll, »gehört heute zu den besten im ganzen Land«, behauptete der Anwalt.

Nach den Enthüllungen des Bespitzelungsskandals 2012 durch die Wochenzeitung »Le Canard enchainé« und das Internet-Nachrichtenportal »Mediapart« hatte die Gewerkschaft Force ouvrière Anzeige erstattet. Zugleich veranlasste Ikea eine interne Überprüfung der Vorwürfe und feuerte dann aufgrund der Ergebnisse vier Spitzenmanager. Im Prozess, der im März in Versailles bei Paris stattfand, waren elf Ikea-Manager und vier Polizisten angeklagt, Dutzende Zeugen wurden gehört. Fast alle bestätigten, dass die Bespitzelung bei Ikea systematisch erfolgte. Nach der Urteilsverkündung erklärte die Anwältin Solene Debarre, die im Prozess mehrere der Nebenkläger vertrat: »Eine Million Euro ist nicht viel für Ikea, aber es ist ein Signal, das vielleicht andere Unternehmen erzittern lässt.«

Der Gewerkschafter Adel Amara, der Mitglied des Betriebsrats war und im Prozess als Nebenkläger auftrat, sagte nach der Urteilsverkündung gegenüber Journalisten: »Mir haben die Richter eine Entschädigung in Höhe von 10 000 Euro zuerkannt, aber ich wäre auch mit 50 Cent zufrieden gewesen. Schließlich geht es ums Prinzip. Die Hauptsache ist, dass Ikea eindeutig verurteilt wurde.« Alain P., ein anderer Nebenkläger, meinte: »Das ist ein Anfang und gibt hoffentlich anderen Unternehmen zu denken. Das Urteil zeigt, dass die Unternehmer nicht mehr machen können, was sie wollen, ohne sich um Recht, Gesetz und Moral zu scheren.«

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