Wenn ihr es wollt ...

Neue Ausstellung über Krieg und Frieden in Berlin

Am Vorabend der Schlacht von Borodino vor Moskau 1812 nennt Andrej, ein junger adliger Offizier, gegenüber seinen feinsinnigen Freund Pierre den Krieg das »Allerscheußlichste im Leben«. So zu lesen in Lew Tolstois »Krieg und Frieden«, das den rasch gescheiterten und doch verheerenden Russland-Feldzug Napoleons reflektiert. Angelehnt an diesen Antikriegsroman ist der Titel einer Ausstellung der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die am Montag von deren Vorsitzender, Dagmar Enkelmann, anlässlich des 80. Jahrestages der Überfalls auf die Sowjetunion eröffnet wurde. Auf 92 Tafeln mit Fotos, Plakaten, Gemälden, Cartoons, Zitaten sowie Essays wird das große Thema Krieg und Frieden in der jüngeren Menschheitsgeschichte beleuchtet, von zwei Weltkriegen über die Friedensbewegungen in der DDR und BRD bis hin zu völkerrechtswidrigen Interventionen heute. Untertitelt ist die Schau mit dem Appell von John Lennon und Yoko Ono »War is over if you want« (Der Krieg ist vorbei, wenn ihr es wollt). Das pazifistische Paar ist denn auch auf einer Fotografie zu sehen - mit Antikriegsprotest im Bett.

Janine Wissler, Ko-Vorsitzende der Linkspartei, merkte an, dass der Kampf für Frieden in der DNA der Linken angelegt sei. Der jetzt stattfindende Truppenabzug aus Afghanistan ist von jenen seit Anbeginn gefordert worden. Doch trotz dieses gescheiterten, Milliarden Euro verschlingenden und Zigtausende Menschenleben auslöschenden Abenteuers beharre die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer weiter auf »robusten Einsätzen« der Bundeswehr im Ausland. Der linke Sicherheitsexperte Jan van Aken erläuterte seinen Vorschlag, nicht die Ausgaben für Rüstung und Militär stetig zu erhöhen, sondern das Geld in die Ausbildung von Friedensfachkräften zu investieren – was »mehr Sinn macht«. Eines Tages, so seine optimistische Prognose, werde das auch von nichtlinken Politikern begriffen. Van Aken verwies auf den Trend in der Rüstungsindustrie, billiger Waffen zu produzieren, die noch todbringender und profitträchtiger sind. Eine Tafel in der liebevoll wie sorgfältig von Gert Gampe kuratierten Ausstellung informiert darüber, dass Rheinmetall beim Geschäft mit dem Tod im vergangenen Jahr die höchsten Gewinne seit dem Zweiten Weltkrieg eingestrichen hat.

Den historischen Part übernahm Jörg Morré, Direktor des Deutsch-Russischen Musems in Berlin-Karlshorst. Er erinnerte an die 27 Millionen Todesopfer der Sowjetunion 1941 bis 1945 und zeigte sich zuversichtlich, dass trotz politischen Streits »die Erinnerung an gemeinsames Leid nicht verblasst«. In seinem Haus, in dem am 8. Mai 1945 die Kapitulationsurkunde von der Werhmachtsgeneralität unterzeichnet worden war, ist derzeit eine Ausstellung zum Schicksal sowjetischer Kriegsgefangener zu sehen: »Dimensionen eines Verbrechens«. Von den 5,7 Millionen gefangenen Angehörigen der Roten Armee starben drei Millionen in deutschen Lagern unter Bedingungen, die gegen das sogenannte Kriegsrecht verstießen. Morré erinnerte zudem an den berüchtigten »Kommissarbefehl«, der die sofortige Exekution von gefangenen Politoffizieren angeordnet hatte, ebenso an das Hungermordprogramm des deutschen Reichsernährungsministerium, das die »Eliminierung« von 30 bis 50 Millionen sowjetischen Zivilisten vorsah.

In der Ausstellung sind unter anderem Plakate aus dem Großen Vaterländischen Krieg 1941 bis 1945 zu sehen. Es fehlt natürlich nicht die Friedenstaube von Pablo Picasso, die zum Logo des Weltfriedenskongresses in Paris 1949 erkoren worden war und fortan Friedensaktivisten in aller Welt begleitet. Wie auch heute noch die Grafik von Käthe Kollwitz aus dem Jahre 1924, die eine entschlossene Frau mit mahnend hochgeregtem Arm zeigt: »Nie wieder Krieg!« Der zweitgeborene Sohn der Künstlerin, Peter Kollwitz, ist bereits im dritten Monat des vierjährigen Ersten Weltkrieges in Belgien gefallen.

Unter die Haut gehende Antikriegslieder bot zur Vernissage im neuen Domizil der Rosa-Luxemburg-Stiftung der Singer-Songwriter Tobias Thiele. Er intonierte zudem eine Antikriegshymne von Rio Reiser, der in der Exposition eine eigene Tafel gewidmet ist: »Der Krieg, er ist nicht tot/ Der Krieg, der Krieg, er ist nicht tot,/ er schläft nur...« Eine düstere Prognose, die sich nach dem Ende des Kalten Krieges mit dem Aufflammen neuer heißer Kriege global leider bewahrheitet hat.

»Krieg und Frieden«, Straße der Pariser Kommune 8, 10243 Berlin, 10 – 18 Uhr.

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