Das Schöne und das Spiel
Italien startet mit dem Achtelfinale erst so richtig in die EM, Österreich hat das Beste schon erreicht
Wenn die Europameisterschaft an diesem Wochenende nach zwei Ruhetagen mit den Achtelfinals weitergeht, sind noch immer 16 von 24 Endrundenteilnehmern dabei. Besonders glücklich sind die Österreicher, sie stehen erstmals in der K.-o.-Runde einer EM. »Das sind die schönen Tage im Fußball. Wir wollten Geschichte schreiben, das haben wir geschafft«, freute sich Nationalcoach Franco Foda.
Stimmungsumschwung
Nun ist es sicher nicht so, dass Team und Trainer mit dem bisher Erreichten schon zufrieden wären. Aber all das Positive in Haltung und Herangehensweise scheint plötzlich verschwunden. Der Übeltäter immerhin ist ausgemacht: Italien hat den Stein des Anstoßes zum Stimmungsumschwung ins Rollen gebracht. Mit Blick auf den Gegner an diesem Sonnabend im Londoner Wembley-Stadion klingen die Österreicher jedenfalls merkwürdig desillusioniert. Foda hofft: »Irgendwann kommt der Tag, wo auch bei Italien etwas nicht funktioniert.« Austrias Tormann sieht nur eine Hoffnung: »Ich traue mich zu sagen, wenn wir gegen Italien ins Elfmeterschießen kommen, dann kommen wir weiter«, meint Daniel Bachmann.
Diese Italiener können einem dieser Tage aber auch wirklich Angst einjagen. Wie die Belgier und die Niederländer erspielten sie in der Vorrunde drei Siege. Nur sie und die Engländer blieben ohne Gegentor. Entsprechend groß ist ihr Selbstvertrauen. »Wir sind Italien, wir gehen auf den Platz, um zu gewinnen«, tönt Rechtsverteidiger Giovanni Di Lorenzo. Das Überraschende am Auftreten der Squadra Azzurra ist ihre Angriffslust: 60 Torschüsse feuerte sie bislang bei dieser EM ab, so viele wie kein anderes Team.
Zum Bruch mit dem jahrzehntelang fast fanatisch zelebrierten Defensivstil führte die verpasste Teilnahme an der Weltmeisterschaft 2018 und die wenig später folgende Inthronisierung Roberto Mancinis als neuer Nationaltrainer. Seine Arbeitsgrundlage bildet weiterhin eine stabile Abwehr: »Die Defensive ist immer fundamental; wir haben mit dieser Art des Spiels vier Weltmeisterschaften gewonnen.« Der moderne Fußball aber stellt höhere Anforderungen. »Es braucht eine gute Balance«, weiß Mancini. »Jetzt haben wir einen guten Mix zwischen Offensive und Defensive.« Die Zahlen geben ihm recht: Seit nunmehr 30 Spielen ist sein Team ungeschlagen, 25 davon wurden gewonnen.
Verzweifelte Versuche
Angesichts dieser berauschenden Bilanz sind die verzweifelten Versuche der Österreicher verständlich, zumindest ein Fünkchen Hoffnung zu entzünden. Auch Mittelfeldspieler Christoph Baumgartner beteiligt sich daran. »Sie haben ein paar ältere Spieler in der Defensive. Wenn wir jungen, spritzigen Buben aus Österreich da reinstoßen, dann können wir ihnen vielleicht wehtun«, meint der 21-Jährige.
Dieses Vorhaben stößt jedoch gleich auf zwei Probleme. Einerseits wirkten die bisherigen österreichischen Offensivbemühungen nicht annähernd so spritzig, wie es im Wembley-Stadion nötig wäre. Denn auf der anderen Seite stehen die Italiener. Und die kassieren unter Mancini im Schnitt nur 0,4 Gegentore pro Spiel. Ihre letzten elf Partien haben sie allesamt gewonnen - mit einem Torverhältnis von 32:0! All das spricht sehr dafür, dass die Österreicher das Beste bei diesem Turnier schon hinter sich haben. Für Italien hingegen scheint alles möglich. Giovanni Di Lorenzo sagt es so: »Jetzt beginnt das Schöne.«
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