Ein Zeichen gegen eine zerstörerische Industrie

Argentiniens Provinz Feuerland verbietet die Lachszucht - das hat positive Auswirkungen auf die Natur über die Region hinaus

  • Jürgen Vogt, Buenos Aires
  • Lesedauer: 4 Min.

Argentiniens Provinz Feuerland hat die industrielle Lachszucht verboten. Einstimmig hatte das Parlament der südlichen Provinz Feuerland vergangene Woche gegen die Einrichtungen von Lachsmastfarmen in den Gewässern des Beagle-Kanals sowie deren notwendige Logistik an Land votiert. Da diese Gewässer die einzigen in Argentinien sind, die die natürlichen Voraussetzungen für solche Lachsmastfarmen erfüllen, kommt die Provinzentscheidung einem landesweiten Verbot gleich.

»Mit dem Verbot wird die Bedeutung des Schutzes und der Erhaltung unserer natürlichen Ressourcen, des genetischen Erbes unserer Lebewesen und ihrer Umwelt für die Menschen in Feuerland unterstrichen«, erklärte der Parlamentsabgeordnete Pablo Villegas von der Partei Movimiento Popular Fueguino, der die Gesetzesvorlage miteingebracht hatte.

Der Kanal ist eines der unberührtesten Gewässer der Welt. Die 240 Kilometer lange Wasserstraße verbindet den Atlantik und den Pazifik auf natürliche Weise. Sie ist zugleich die südlichste Grenze zwischen Argentinien und Chile. »Seit 2018 haben wir gemeinsam mit verschiedenen Umweltverbänden, handwerklichen Erzeugern und Nachbarn dafür gekämpft, dieser Art der industriellen Produktion eine Grenze zu setzen«, so der Parlamentarier Villegas. Damals hatten Argentiniens Zentralregierung und die Regierung der Provinz Feuerland norwegisch-chilenischen Lachszuchtunternehmen die Möglichkeit einer Lachszucht im Beagle-Kanal zugesagt. Jetzt wurde dem Vorhaben der Fischunternehmen, vom Süden Chiles aus in den Kanal zu expandieren, ein Riegel vorgeschoben.

»Die Umweltauswirkungen der Lachszucht waren eine Bedrohung für die Wirtschaft der Provinz Feuerland«, bestätigt auch der in Feuerland lebende David López Katz von der Umweltorganisation ‚Sin Azul No Hay Verde’. Allein in der Provinzhauptstadt Ushuaia sei die Hälfte der Familien vom Tourismus abhängig und diese hätte unter den Konsequenzen der Fischzuchtbranche enorm gelitten. »Das jetzt erlassenen Verbot ist ein Beispiel für den Erhalt eines nachhaltigen Wirtschafts- und Produktionsmodells, das kulturelle Traditionen und handwerkliche Praktiken respektiert und echte Arbeitsplätze schafft«, so der Umweltaktivist. Was dem Beagle-Kanal drohte, kann entlang der südchilenischen Pazifikküste beobachtet werden. Jährlich werden dort gut 900 000 Tonnen Zuchtlachs nahezu ausschließlich für den Export produziert.

Nach ihrer Aufzucht werden die Lachsfischchen in schwimmende Käfige vor der Meeresküste verbracht und zwischen 14 und 30 Monate mit Pellets aus Fisch- und Pflanzenmehl gefüttert. Mit der Zeit leben Tonnen von Fisch nebeneinander. Krankheiten breiten sich in dieser Enge schnell aus, was den präventiven Einsatz von Antibiotika nötig macht. Störende Mikroalgen werden mit Pestiziden bekämpft. Kot, Futterreste und verendete Fische, alles sinkt nach unten. Der Verfaulungsprozess verbraucht den Sauerstoff und überzieht den Meeresgrund mit einer toten Breimasse.

Hinzu kommt der Müll aus Bojen, Netzen und Kunststoffen, der durch Schäden an den Käfigen entsteht oder schlicht durch nicht mehr genutzte Käfige. Auch gegen die Lachslaus ist noch kein wirksames Mittel entdeckt worden. Jährlich verenden Millionen Zuchtlachse durch den Fraßbefall der Läuse.

Ein weiteres Problem sind die immer wieder auftretenden Massenausbrüche der für die lokale Fauna und Flora exotischen Raubfische. Das alles bleibt dem Kanal und seinen Anwohner*innen nun erspart, weshalb auch jene Kleinfischerfamilien erleichtert aufatmen können, die vor allem die einzigartigen Königskrabben in ihren Reusen heranziehen und dafür auf das kalte und reine Wasser angewiesen sind.

»Mit diesem Gesetz schützen wir ganz Südpatagonien«, sagte María Laura Colazo von Feuerlands Grüner Partei, die mit drei Abgeordneten im Parlament vertreten ist. Das Verbot werde auch auf die chilenische Seite des Kanals ausstrahlen. Im Mai 2019 wurden dort im chilenischen Puerto Williams bereits installierte Lachskäfige vor allem auf Druck der indigenen Gemeinschaft der Yagán wieder abgebaut. Wäre es nach dem Willen der Mastunternehmen gegangen, würden sich vor dem kleinen Küstenort in über 130 Becken knapp 27 Millionen Lachse drängeln.

Aus Chile kam denn auch Applaus. »Wir haben es bei uns geschafft, dass die Lachsfarmen wieder abziehen mussten, und sie haben es geschafft, die Lachszucht gänzlich zu verbieten«, gegrüßte David Alday, der Vertreter der Yagán-Gemeinschaft in Chile, das Abstimmungsergebnis im benachbarten Provinzparlament. »Alle sollen wissen, dass am Ende der Welt ein Zeichen gegen eine so zerstörerische Industrie wie die Lachszucht gesetzt wurde.«

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