Fast jeder zweite Antrag scheitert

Anteil der Ablehnungen im Falle von Erwerbsminderungsrente seit 20 Jahren auf hohem Niveau

  • Martin Höfig
  • Lesedauer: 2 Min.

Mehr als 42 Prozent der Bundesbürger*innen, die im vergangenen Jahr wegen Berufsunfähigkeit in Rente gehen wollten, sind mit ihrem Antrag gescheitert. Der Anteil der Ablehnungen sank seit 2001, dem Jahr der Einführung der Riester-Rente unter der damaligen rot-grünen Bundesregierung, nie unter 42 Prozent. Diese ernüchternde Zahl geht aus der Antwort der aktuellen Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor. Demnach stiegen die abgelehnten Anträge von rund 143 000 im Jahr 2019 auf 154 000 im vergangenen Jahr.

Die Linke-Abgeordnete Sabine Zimmermann, die die Anfrage gestellt hatte, forderte, Konsequenzen aus diesem Missstand zu ziehen. Der Zugang zur Erwerbsminderungsrente (EM-Rente) müsse leichter werden, so Zimmermann am Montag. »Wenn mehr als zwei von fünf Anträgen auf EM-Rente abgelehnt werden, ist das ein Alarmsignal«, sagte die Arbeitsmarktexpertin der Linksfraktion dem »nd«. Zimmermann gab zu bedenken: »Einen solchen Antrag stellt ja in der Regel nur, wer sich zu krank fühlt, um zu arbeiten.«

Außerdem beklagt Zimmermann, dass die EM-Renten heute unter der Armutsgefährdungsschwelle lägen. Und das, obwohl die gezahlten Summen in den vergangenen Jahren gestiegen sind. So lagen die durchschnittlichen Zahlbeträge wegen verminderter Erwerbsfähigkeit im Rentenzugang im Jahr 2020 bei 882 Euro, bei 524 Euro wegen teilweiser und bei 936 Euro wegen voller Erwerbsminderung. 2019 waren es noch 806 Euro im Schnitt, im Jahr davor 735 Euro und noch ein Jahr früher 716 Euro.

»Die Linkspartei fordert eine solidarische Mindestrente von 1200 Euro, sowohl im Alter als auch bei Erwerbsminderung«, betonte Zimmermann. Dass überhaupt so viele Renten niedriger ausfallen, hat mit dem abgesenkten Rentenniveau zu tun, aber speziell bei den Erwerbsminderungsrenten auch mit den 2001 ebenfalls von der Schröder-Regierung eingeführten Abschlägen. »Dabei wurde unterstellt, dass Menschen sich mit der Erwerbsminderungsrente einen frühzeitigen Renteneintritt erschleichen wollen«, so Zimmermann. Dabei sei die geringe Rente vielmehr der letzte Ausweg für diejenigen, die einfach nicht mehr arbeiten können. »Krankheit ist Schicksal, das nicht noch bestraft werden darf. Die Abschläge gehören daher abgeschafft«, forderte die Linke-Politikerin.

Doch die EM-Rente wurde in den vergangenen Jahren auch hier und da verbessert. So werden Bezieher*innen seit 2019 bei der Berechnung so behandelt, als hätten sie bis zum aktuellen Rentenalter gearbeitet. Der Anspruch wurde dabei aber nur für Neurentner*innen höher. »Diejenigen, die die EM-Rente schon beziehen, gehen leer aus. Das ist ungerecht«, kritisierte Zimmermann. Und: »Im Übrigen bliebe manchen die EM-Rente ganz erspart, wenn das Rentenalter wieder bei 65 Jahren liegen würde.«

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