Erfolge, die es nie wirklich gab

Daniel Lücking über die Sicherheitslage in Afghanistan

»Dazu habe ich keine Zahlen und werde auch keine bekommen«, räumt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in der Bundespressekonferenz auf die Frage ein, wie viele afghanische Soldaten in den letzten Tagen desertiert sind. Dem Auswärtigen Amt liegen dazu ebenfalls keine Zahlen vor.

Eine Woche nach dem Abzug der Bundeswehr aus Masar-e Scharif ist auch das deutsche Generalkonsulat abgerückt. Beobachter rechnen damit, dass die Kämpfe um die Stadt kurz vor ihrem Ende stehen und die Taliban siegen werden. Nach dem Abzug deutscher Truppen scheinen die Taliban die »Erfolge« zu pulverisieren, die zuvor durch die internationalen Truppen gestützt wurden. Die Wahrheit aber ist: Es gab diese Erfolge nie.

Der afghanische Verteidigungsminister, General Bismillah Mohammadi, versucht sich in Zweckoptimismus: »Dies ist nicht das erste Mal, dass wir, die Menschen in Afghanistan, eine schwierige militärische Phase durchmachen.« Es sei eine kritische entscheidende Phase. Wie kritisch, das zeigt die Flucht von 1000 seiner Soldaten vor den Taliban über die Grenze nach Tadschikistan. Tadschikistan seinerseits fürchtet die Talibankämpfer genauso und berief 20 000 Reservisten ein. Befriedung sieht anders aus.

Wie »Erfolg« und »Misserfolg« in Afghanistan zu werten sind, ist seit Jahren nicht feststellbar. Mit Ausbildungszahlen bei der afghanischen Armee versuchte man, das deutsche Engagement zu rechtfertigen. Doch wenn nach dem Abzug 2021 Kriegsfürsten wie Raschid Dostum und Ahmad Massoud, Sohn des 2001 getöteten nordafghanischen Nationalhelden, in den Kampf ziehen, während im Iran mit Warlord Gulbuddin Hekmatyar verhandelt wird, dann ist klar: Der Westen hat bei der Demokratieinszenierung in Afghanistan das Gesicht verloren - und eigene Erfolge gab es nie.

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