Klimaschutz ohne Darwin

Kurt Stenger über das dürftige Fitnessprogramm aus Brüssel

»Fit for 55« – der Klimaschutz ist eine sportliche Herausforderung, die uns stärker macht. So lautet die Botschaft der EU-Kommission. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sollen uns ganz nach vorne bringen im technologischen Wettstreit beim Klimaschutz. Ein bisschen Darwin schimmert durch. Dabei ist der berühmte Satz des Naturforschers vom »Survival of the Fittest« eines der größten englisch-deutschen Sprachmissverständnisse: Laut Darwin überlebt nicht der Stärkste, sondern derjenige, der sich am besten an die Umwelt anpassen kann.

Die sportliche Botschaft soll wohl vor allem die Industrievertreter mit an Bord holen. Denn erstmals versucht Brüssel beim Klimaschutz auch ein paar dicke Bretter zu bohren, was wichtige Branchen und ihre einflussreichen Lobbyisten nicht einfach hinnehmen werden. Das Ende des Verbrennungsmotors, Kerosinbesteuerung bei Flügen in der EU, höhere Preise für Stahlherstellung und Gütertransporte, Klimaziele für die Landwirtschaft – dies alles kann man nicht so einfach die Verbraucher bezahlen lassen, wie es bisher üblich war. Und so wird es hinter den Kulissen zu einem Gerangel um schwächere Vorgaben und um Fördermittel kommen. Mit absehbarem Ausgang.

Mit Darwins Motto hat das alles natürlich nichts zu tun. Um sich wirklich an die Umweltbedingungen anzupassen, müsste die EU ihre Klimaziele noch deutlich anheben und dann auch mit Leben erfüllen. Die Industrie weiterhin zu schonen, ist grundfalsch und wird uns noch teuer zu stehen kommen. Außerdem müssten sich die Klimaschutzkonzepte auch an die gesellschaftliche Umwelt anpassen. Sozialer Ausgleich kommt bei den Maßnahmen bisher ebenfalls zu kurz. Und so ist das dürftige Brüsseler Fitnessprogramm sicherlich nichts, was uns anpassungsfähiger macht.

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