Geigenarmada
Percy Faith: »Theme from ›A Summer Place‹«
Wann geschieht es, dass Menschen den Glauben an die heile Welt verlieren? In den Wirren der Pubertät? Nach der ersten unter lautem Getöse zerbrochenen Beziehung? In den Minenfeldern des Berufslebens?
Im Fall von Percy Faith muss die Antwort lauten: Nie. Statt sich in der Seelenhölle des Blues abzukämpfen, steuerte der amerikanische Orchesterleiter und Komponist zielstrebig dem Streicherhimmel entgegen. Und das kam damals, in den 50er Jahren, einer Revolution gleich. Bis dahin hatten in den Big Bands die Bläser dominiert. Orchesterklänge, das bedeutete seit Benny Goodman meist Swing, also Tanzmusik.
Faith aber wollte die Leute nicht zum Beineschütteln animieren. Sein Anspruch war es, »Mood Music« zu kreieren. Die Zuhörer sollten in eine erhabene Stimmung versetzt werden. Also fuhr er eine Armada von Geigen auf, die alles Profane und Banale mit ihren Bögen wegstrich. In der Welt des Percy Faith gab es weder Alltag noch Sorgen. Es herrschte der ewige Sommersonntagnachmittag.
Damit traf er den Nerv einer Nation, die nach Welt- und Koreakrieg einfach mal durchatmen wollte. Gleich zwei Mal (mit »The Song from Moulin Rouge« und »Theme from ›A Summer Place‹«) gelang es ihm, in den USA die meistverkaufte Single des Jahres zu lancieren - das schafften außer ihm nur Elvis und die Beatles.
Und Letztere trugen dann auch dazu bei, dass mit dem Fortschreiten der 60er die Percy-Faith-Platten in den Musiktruhen einstaubten. Denn die Kinder der Kriegsveteranen - die Babyboomer - wollten keine heile Welt, sondern eine aufregende.
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