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Die Grenzen im Triathlon verschoben

Jan Frodeno bleibt im Duell mit Lionel Sanders als erster Athlet unter 7,5 Stunden

  • Jens Marx, Burgberg
  • Lesedauer: 4 Min.

Jan Frodeno wankte und ließ sich zu Boden fallen, er schlug die Hände vors Gesicht und konnte es selbst nicht fassen. Unter tosendem Beifall und dem lauten Bimmeln von Kuhglocken reckte er mit allerletzter Kraft die Arme in den Himmel. Mit einer grandiosen Leistung pulverisierte der Triathlet aus Köln seine eigene Weltbestzeit über 3,8 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren und 42,2 Kilometer Laufen und verschob damit die Grenzen in seiner Sportart. »Was für ein Tag! Ich bin so glücklich, obwohl ich so fertig bin«, sagte Frodeno und rief erst mal nach einem Stuhl, auf den er sich setzen konnte. Er hatte die Distanz am Sonntag im Allgäu trotz einer Schrecksekunde mit einem Sturz auf der Laufstrecke und »verpeilten Wechseln« in 7:27:53 Stunden absolviert. Im Duell mit Lionel Sanders blieb er als erster Mensch über diese Distanz unter siebeneinhalb Stunden und unterbot seine bisherige Weltbestzeit von vor fünf Jahren in Roth um mehr als sieben Minuten. »Ich bin selbst irgendwie immer noch sprachlos«, sagte der dreimalige Ironman-Weltmeister, der auch den Streckenrekord beim Klassiker auf Hawaii hält.

Schwere Bedingungen

Der Kanadier Sanders konnte mit dem rasanten Tempo, das Frodeno vom Start weg vorlegte, nicht mithalten. Er kam bei dem spektakulären »Tri Battle Royale« über eine Viertelstunde später ins Ziel, immer noch in Weltklassezeit mit 7:43:32 Stunden. »Das ist etwas, was ich mein Leben lang nicht vergessen werde«, sagte er trotz des Rückstands und schleppte sich völlig erschöpft, barfuß und mit Bademantel in die Umkleidekabine im Ziel in Burgberg.

Einen Monat vor seinem 40. Geburtstag verlangte Frodeno bei seiner unerbittlichen Rekordjagd auch sich selbst alles ab. Die Bedingungen hätten ungeachtet der eigens ausgewählten superschnellen Strecke auch kaum schwerer sein können. Temperaturen deutlich unter 20 Grad Celsius, dazu stundenlanger Niederschlag. »Das war kein Frodeno-Wetter«, sagte er. Trocken war es fast nur, als sich der Wärme-Liebhaber und Sanders auf den Weg zum Schwimmstart im Großen Alpsee machten. Auf einem Boot ging es raus auf einen Ponton. »Ich bin supernervös, es ist surreal, dass das jetzt passiert«, hatte Frodeno vor dem Rennen gesagt.

Für das beeindruckende Panorama blieb den beiden Duellanten keine Zeit. Mit dem Startschuss begann die wilde Jagd auf die Bestzeit von 7:35:39 Stunden, die Frodeno am 17. Juli 2016 aufgestellt hatte. Wie zu erwarten, enteilte er dem kanadischen Kontrahenten gleich im Wasser. Vier Runden mussten geschwommen werden, die Bojen waren so platziert, dass beide möglichst schnell um die Kurven kamen, zudem war eine Leine einen Meter unter Wasser gespannt zur besseren Orientierung. 45:58 Minuten brauchte Frodeno. 45:22 Minuten waren es damals in Roth gewesen. Sanders stieg fünf Minuten später aus dem Alpsee.

Für den ersten Wechsel war alles perfekt vorbereitet, Frodeno und Sanders hatten ihre Hightech-Räder in eigens angefertigten Boxen auf einem Podium abgestellt. Und dann das: Frodeno flutschte der Helm aus den Händen, das Visier flog in hohem Bogen durch die Luft. Ungläubig hob er die Arme, ehe er eiligst alles zusammenpackte und aufs Rad stieg.

Wenden in der Steilkurve

Unter vier Stunden für die 180,2 Kilometer lange Radstrecke - das war das Ziel. Ein Kurs wie unter Laborbedingungen: Fast nur geradeaus auf einer abgesperrten Bundesstraße. Fünf Runden, eine spektakuläre Steilkurve beschleunigte die Wenden. Mit gut 300 Watt Leistung raste Frodeno durch den mittlerweile heftigen Regen. Die Zeit: 3:55:22 Stunden. Er lag klar auf Weltbestzeitkurs, aber wieder dauerte der Wechsel, weil er sich noch ein Polster aus dem Rennanzug zuppelte. Dann kam der Marathon, der Regen wurde wieder stärker, Frodeno aber nicht schwächer: Mit einer Herzfrequenz von teilweise unter 140 Schlägen in der Minute und mit bis zu 15 Stundenkilometern hämmerte er über den 10,55 Kilometer langen Rundkurs.

Allen stockte der Atem im Zielbereich, als Frodeno nach der ersten Runde auf dem klatschnassen Teppich ausrutschte. In der spanischen Wahlheimat sorgten sich die Kinder bereits um das versprochene Spielzeug, berichtete Frodenos aus dem sonnigen Girona zugeschaltete Ehefrau Emma. Er selbst konnte es im Ziel dann auch mit Humor nehmen: »Da hat mir zum ersten Mal der Rücken nicht mehr wehgetan, sondern die Hüfte.«dpa/nd

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