Flexibilität nur für das Kapital

Nicolas Šustr über das ungleiche Streikrecht in der Republik

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 2 Min.

Juristisch lebt beim Streikrecht die alte Bundesrepublik fort. In geordneten Verfahren sollen Beschäftigte sich erst einmal organisieren, Betriebsräte gründen, sich einer etablierten Gewerkschaft anschließen und dann auf sehr formalisierte Weise einen Streik auf den Weg bringen. Es sind Regelungen aus einer Zeit, als mindestens jahrzehntealte Konzerne in großen Fabriken Produkte herstellten und nicht so schnell die Bude schließen konnten, um woanders ihr Glück mit weniger störrischen Beschäftigten versuchen zu können. Die Bindung an Standorte und damit auch an die Politik in der Republik machten ein komplett renditegetriebenes Verhalten auch schwieriger. Zumal damals Eltern ihren Kindern oft neben der Bindung an ein Unternehmen auch jene an die Gewerkschaft vererbten.

Gerade bei Start-ups gibt es neben einer überschaubaren Anzahl hochqualifizierter Beschäftigter ein Fußvolk von Dienstleisterinnen und Dienstleistern, die die Drecksarbeit erledigen und wegen geringer Anforderungen an die Qualifikation auch leicht ersetzbar sind. Verächtlich wird bei den jungen Kapitalisten auf jene Stabilitäts- und Ausgleichsbestrebungen geschaut, die der Nachkriegs-Sozialstaat etabliert hatte. Der deutsche Bundesgesetzgeber unterstützt sie mit Anforderungen an legale Streiks, die nicht der Lebensrealität dort entsprechen. Wenige arbeiten so lange dort, um den langjährigen Kampf um die Etablierung der laut Arbeitsrecht erforderlichen Strukturen zum Ende zu führen.

Spätestens Rot-Grün in den Neunziger Jahren arbeitete vehement daran, die alte, starre Ordnung in der Wirtschaft auflösen. Doch seltsamerweise vergaß die Koalition damals, auch den Beschäftigten mehr Spielraum zu geben. Wie ohnmächtig sich die heutige Bundespolitik gegenüber dem Turbo-Arbeitsmarkt gibt, ist eine Schande.

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