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Chance für Extrarente

Verbraucherschutz Bundesverband klopft Wahlprogramme der Parteien auf seine Themen ab

  • Martin Höfig
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) sieht in den Wahlprogrammen der Parteien große Lücken beim Verbraucherschutz bei Reisen und bei der Verbraucherbildung. Das sagte VZBV-Vorstand Klaus Müller am Montag vor Medienvertreter*innen.

Sieben Wochen vor der Bundestagswahl hat der VZBV die verbraucherpolitischen Wahlversprechen der Parteien unter die Lupe genommen. Dabei wurde vor allem untersucht, wie sich CDU/CSU, SPD, Grüne, FDP und Linke zu den Themen Altersvorsorge, Klimaschutz und Schutz beim Reisen positionieren. »Da wir uns als Verband demokratischen Prinzipien verpflichtet fühlen, haben wir unseren Wahlcheck auch nur mit den demokratischen Parteien durchgeführt«, sagte Müller zur Begründung, warum der VZBV die AfD bei seiner Untersuchung ausspart.

Bei den übrigen großen Parteien herrsche weitgehend Konsens darüber, dass die private Altersvorsorge einen Neustart brauche und die Strompreise gesenkt werden müssten, führte Müller aus. Damit könnten zwei wichtige Baustellen für Verbraucher*innen nach der Wahl abgeräumt werden. Die Analyse des VZBV offenbart zum Teil deutliche Unterschiede zwischen den Parteien. So wollen kurzfristig alle die Verbraucher*innen über die Senkung des Strompreises entlasten, langfristig fordern aber lediglich Grüne und FDP eine pauschale Rückzahlung der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung. Die SPD möchte einen Pro-Kopf-Bonus zumindest noch prüfen.

»Aus unserer Sicht ist ein solcher Klimascheck ein zentrales Element, um die CO2-Bepreisung sozial ausgewogen umzusetzen und so die Akzeptanz für die Klimaschutzmaßnahmen langfristig zu gewährleisten«, sagte Müller. Er hob hervor, dass SPD, Grüne und Linke in ihren Programmen konkrete Vorschläge machen, wie Verbraucher*innen beispielsweise durch Mieterstrom als Prosumenten die Energiewende voranbringen könnten. »Wenn Klimaschutz erfolgreich sein will, müssen die Verbraucherinnen und Verbraucher von Anfang an mitgenommen werden«, betonte der VZBV-Vorstand.

Bei der privaten Altersvorsorge hält der Verbraucherschutzverband den aus seiner Sicht notwendigen Neustart für möglich. »Für den VZBV ist klar: Die Riester-Rente ist gescheitert. Und mit Ausnahme der Linken, die eine komplette Abschaffung der privaten Vorsorge fordert, setzen sich auch alle Parteien für eine Neuorganisation der privaten Rente ein«, zeigte sich Müller optimistisch.

Bei Union, FDP, Grünen und SPD gäbe es im Detail unterschiedliche, aber im Ziel ähnliche Vorstellungen einer solchen Neuorganisation der privaten Altersvorsorge. Diese hätten Schnittmengen mit dem Konzept der Extrarente des VZBV - einem öffentlich organisierten, freiwilligen Standardprodukt, das langfristig am Kapitalmarkt angelegt ist und durch minimale Verwaltungs- und Abschlusskosten eine hohe Rendite für Verbraucher*innen erwirtschaften soll.

»Egal, welche Farben eine künftige Regierungskonstellation trägt: Verbraucher und Verbraucherinnen können nicht noch länger auf eine funktionierende private Altersvorsorge warten. Die Extrarente muss eines der ersten Projekte der neuen Regierung sein«, forderte Müller. Eine große Baustelle im Sinne des Verbraucherschutzes bleibe dagegen das Thema Reisen. Bei den unzähligen in der Corona-Pandemie von Reiseveranstaltern und -anbietern sowie Airlines stornierten Flügen warteten viele Verbraucher*innen teilweise monatelang auf die Rückerstattung ihrer Kosten. Dass sie überhaupt Anspruch auf Rückerstattung hatten, verdanken sie einem hohen europäischen Schutzniveau bei Fluggastrechten, erläuterte der VZBV-Vorstand. Und: »Angesichts dieser Erfahrungen ist es ärgerlich, dass sich keine Partei explizit für die Beibehaltung des bestehenden Schutzniveaus einsetzt.«

Der VZBV fordert darüber hinaus weitere Maßnahmen, um Verbraucher*innen künftig besser zu schützen. So sei für einen starken Schutz auf Reisen klar, dass die bestehende Praxis der 100-prozentigen Vorkasse einzig und allein auf Kosten der Verbraucher*innen abgeschafft gehöre, so Müller. Lediglich die CDU will die Vorkasse laut Wahlprogramm neu regeln, während sich in den Programmen der anderen Parteien dazu nichts findet.

Weitere Leerstellen in den Wahlprogrammen aller Parteien sieht der VZBV beim Thema Kostenfallen, bei der Verbandsklage und der Verbraucherbildung. »Hier werden wir darauf achten, dass die Parteien in den kommenden Wochen und insbesondere während der Koalitionsverhandlungen die Verbraucherinnen und Verbraucher stärker in den Blick nehmen«, versprach Müller. Mit Blick auf die Bundestagswahl am 26. September fordert der VZBV ganz allgemein eine neue Verbraucherpolitik. Diese solle krisenfest, fair und nachhaltig sein.

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