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Der Rassismus wächst
Sebastian Bähr über gewalttätige Übergriffe in der Türkei
In der türkischen Hauptstadt Ankara kam es jüngst zu pogromartigen Szenen: Hunderte nationalistisch gesinnte Türken strömten nachts auf die Straßen, verwüsteten oder brandschatzten Geschäfte, Wohnungen und die Autos von syrischen Flüchtlingen in der Stadt. Der aufgebrachte Mob rief dabei rassistische Parolen, einige formten mit den Händen den »Wolfsgruß«, das Erkennungszeichen der faschistischen Grauen Wölfe, wie Videos aus sozialen Netzwerken belegen. Was man darin auch sieht: Offenbar hatten Polizeiwagen die aufgehetzten Gruppen begleitet, ohne einzuschreiten.
Was lässt sich daraus ableiten? Rund 3,6 Millionen syrische Flüchtlinge leben in der Türkei. Dazu kommen noch Hunderttausende Menschen aus Afghanistan. Seit ein paar Jahren schlägt den Schutzsuchenden jedoch immer mehr Hass entgegen – und auch der Rassismus gegenüber der unterdrückten kurdischen Minderheit nimmt enorme Ausmaße an. Gewaltsame Übergriffe häufen sich.
Faktoren, die diesen Hass nähren, gibt es einige. Eine anhaltende Wirtschaftskrise, zunehmende extreme Wettereignisse wie Waldbrände und Überflutungen sowie die Belastungen durch die Corona-Krise dürften die allgemeine Unsicherheit sowie Abstiegsängste verstärkt haben.
Weite Teile der Politik versuchen genau daraus Profit zu schlagen. Der türkische AKP-Präsident Recep Tayyip Erdoğan gibt absurderweise kurdischen »Terroristen« die Schuld an den Waldbrände. Der Oppositionsführer der CHP, Kemal Kiliçdaroglu, erklärte, seine Partei werde Syrer »zurück nach Hause« schicken, wenn er bei der nächsten Parlamentswahl an die Macht komme. Die Geflüchteten selbst werden derweil weiter von der Regierung als Faustpfand eingesetzt, um Druck auf die EU auszuüben.
Mit nationaler Hysterie versucht die herrschende Klasse, vom eigenem Versagen abzulenken. Die Gefahr für Schutzsuchende und Minderheiten wächst in der Türkei in schnellem Tempo.
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