Warum das Kopftuchverbot in Kitas und Drogerien rechtens sein kann

Urteil des europäischen gerichtshofs (EuGH)

  • Lesedauer: 3 Min.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat zu dieser Frage ein Urteil gesprochen. Es dürfte auch Auswirkungen auf andere Religionen haben. Er hat die Rechte von Arbeitgebern gestärkt, die muslimischen Mitarbeiterinnen das Tragen von Kopftüchern verbieten.

Die Richter entschieden am 15. Juli 2021 vor dem Hintergrund von zwei Fällen in Deutschland, dass ein Kopftuchverbot gerechtfertigt sein kann, wenn der Arbeitgeber gegenüber Kunden ein Bild der Neutralität vermitteln oder soziale Konflikte vermeiden will.

Zugleich machte der EuGH allerdings deutlich, dass dann auch keine anderen sichtbaren Bekundungen politischer, weltanschaulicher oder religiöser Überzeugungen erlaubt sein dürfen, wenn gleichzeitig einer katholischen Frau das offene Tragen einer Kette mit einem religiösen Kreuz gestattet wird.

Betont wurde zudem, dass Arbeitgeber klar machen müssen, dass ein Kopftuchverbot für sie wirklich relevant ist. So muss es etwa in der Kita den Wunsch von Eltern geben, dass ihre Kinder von Personen beaufsichtigt werden, die nicht ihre Religion oder Weltanschauung zum Ausdruck bringen.

Hintergrund des Urteils waren zwei Fälle aus Deutschland. Zum einen war eine muslimische Mitarbeiterin einer überkonfessionellen Kindertagesstätte des Hamburger Kinder- und Jugendhilfeträgers Wabe e.V. mehrfach abgemahnt worden, weil sie mit Kopftuch zur Arbeit gekommen war.

Ähnlich ging das Bundesarbeitsgericht 2019 mit dem Fall einer Muslimin aus dem Raum Nürnberg vor, die gegen ein Kopftuchverbot bei der Drogeriemarktkette Müller geklagt hatte.

In beiden Fällen fühlen sich die Frauen durch das Kopftuchverbot diskriminiert. Sie verweisen auf das Gleichbehandlungsgesetz sowie das Grundrecht auf Religionsfreiheit.

Das abschließende Urteil in den deutschen Fällen müssen nun die zuständigen deutschen Gerichte treffen. Der EuGH betonte, dass diese durchaus Entscheidungsspielraum haben.

Das neue Urteil des EuGH präzisiert eine Entscheidung von 2017. Damals hatte der EuGH in einem ähnlichen Fall entschieden, dass ein allgemeines internes Verbot von politischen oder religiösen Symbolen am Arbeitsplatz keine unmittelbare Diskriminierung darstellt. Ob gleichzeitig auch das Tragen anderer religiöser Symbole verboten werden muss, blieb damals noch unklar.

Zumindest für den Kita-Betreiber dürfte die Klarstellung keine weitreichenden Konsequenzen haben. Er verbietet Mitarbeitern nämlich laut EuGH auch das Tragen von christlichen Kreuzen, jüdischen Kippas und anderen religiös oder weltanschaulich bestimmten Kleidungsstücken. Eine Mitarbeiterin, die ein Kreuz als Halskette trug, wurde gezwungen, diese abzulegen.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes begrüßte die Klarstellung des EuGH. »Die Hürden für Verbote religiöser Symbole am Arbeitsplatz bleiben damit sehr hoch«, kommentierte Bernd Franke als kommissarischer Leiter der Stelle. Ein Sprecher verwies zudem darauf, dass das Urteil auch für die Weihnachtsdekoration in Geschäften Folgen haben könnte. Es könnte ein Problem sein, wenn Unternehmen ein Kopftuchverbot aussprechen, zugleich aber eine Weihnachtskrippe aufstellen. dpa/nd

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