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Bomben gegen kurdische Selbstverwaltung

Türkei bombardiert kurdische Gebiete in Syrien und im Irak. Bewohner fürchten erneute Großoffensive

  • Tim Krüger, Qamischlo
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit einer Woche und nicht zum ersten Mal greift die türkische Luftwaffe die mehrheitlich von Kurd*innen besiedelten Gebiete im Norden Syriens und des Iraks an. Die Angst vor einer erneuten Offensive des türkischen Regimes wächst. Allein seit dem 19. August kam es zu vier Luftangriffen auf Einrichtungen und Fahrzeuge der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD), den Verteidigungseinheiten der Autonomen Selbstverwaltung, sowie zivile Ziele, bei denen laut Angaben der Militärführung fünf Kämpfer*innen ihr Leben verloren und eine bisher unbekannte Anzahl von Menschen verletzt wurde.

Unter den Toten und Verletzten sind lang gediente und bekannte Kommandant*innen der Frauen- und Volksverteidigungseinheiten YPJ und YPG. Sie leisteten einen entscheidenden Beitrag im Kampf um die territoriale Zerschlagung des selbst ernannten Kalifats des »Islamischen Staates«. So verlor der YPG-Kommandant Rênas Roj am 19. August auf dem Weg zwischen den beiden nordsyrischen Städten Qamischlo und Hasakeh sein Leben, als die Lenkrakete einer türkischen Kampfdrohne sein Fahrzeug traf. Nur vier Stunden später waren in der Innenstadt Til Temirs Detonationen zu hören, als auch hier türkische Bomben das Zentrum für Außenbeziehungen des christlich-kurdisch-arabischen Militärrates der Stadt in Schutt und Asche legten. Unter den Trümmern starben neben der YPJ-Kommandantin Sosin Bîrhat drei weitere Kämpfer*innen der lokalen Selbstverteidigungsmilizen.

Am Abend des 21. August kam es glücklicherweise nur zu materiellem Schaden, als im südöstlich von Kobane gelegenen Dorf Qere Mezra der Kleinlaster von Abdullah Çîman Hemê durch einen Drohnenschlag zerstört wurde. Doch nicht einmal 24 Stunden danach knallte es auf dem Parkplatz eines Pflegezentrums für Kriegsversehrte im Dorf Hîmo nahe der Stadt Qamischlo. Nach Angaben der Internen Sicherheitskräfte der Selbstverwaltung kamen drei Menschen bei dem Angriff zu Schaden, darunter ein Militär und zwei Verantwortliche der Pflegeanstalt. Aus dem Muster der Angriffe wird erkennbar, dass man es in Ankara auf militärische und politische Führungskräfte der Selbstverwaltung abgesehen hat. Diese gilt der türkischen Führung als »Terrorstaat« und soll mit allen Mitteln von der Karte getilgt werden.

Dass man im Kampf gegen vermeintliche »Terroristen« nicht zimperlich ist, zeigten auch Luftangriffe auf das von den Jesiden bewohnte Sengal-Gebirge im Nordirak, wo am 16. und 17. August zehn Menschen den türkischen Luftangriffen zum Opfer fielen. Besonders brisant: Vier der Getöteten gehörten zum medizinischen Personal eines Gesundheitszentrums. Das türkische Verteidigungsministerium erklärte das Krankenhaus im kleinen Dorf Sikeniye kurzerhand zum »Terroristenversteck« und ließ es von F16-Jets dem Erdboden gleichmachen.

Kein Vertrauen mehr in Großmächte

Für viele ist die Anschlagsserie aus der Luft nur das Vorspiel eines weiteren türkischen Vorstoßes. Dass die Garantiemächte des Waffenstillstands vom Oktober 2019, Russland und die USA, mit Schweigen auf die massiven Verletzungen des Abkommens reagieren, lässt bei vielen Menschen in Nordostsyrien die Alarmglocken läuten. Auch in der kleinen Stadt Derik bereitet man sich auf das Schlimmste vor.

»Wir leben in einem konstanten Ausnahmezustand und wissen nicht, wann der Krieg ausbrechen wird«, sagt Hussein Ramadan, einer der beiden Kommandanten der lokalen Verteidigungseinheiten HPC. Der Familienvater ist freiwillig in der Miliz, um seine »Stadt und die Bevölkerung zu verteidigen«. Seine Mitstreiterin Hediye Abdullah fügt hinzu, dass man »viele Feinde« hätte und gerade die »nötigen Vorbereitungen« treffen würde, um der Bedrohung zu begegnen. »Es geht dabei vor allem um Luft- und Zivilschutzmaßnahmen, um die Bevölkerung auf den Ernstfall vorzubereiten.« Bei der kleinen, aber streitbaren Bürgerwehr ist man sich sicher: um »jeder Bedrohung von außen oder innen zu begegnen«, müsse die »Gesellschaft sich auf ihre eigenen Kräfte stützen«. Vertrauen in die Großmächte gibt es hier schon lange nicht mehr.

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