»Globale Gerechtigkeitskrise«

Christliches Hilfswerk Brot für die Welt zieht wegen Armut, Klimakrise und Corona dramatische Bilanz

Das evangelische Hilfswerk Brot für die Welt appellierte am Donnerstag an die Bundesregierung, sich für den Schutz bedrohter Menschen in Afghanistan einzusetzen. Es müsse bei den neuen Machthabern auf die Einhaltung der Menschenrechte und die Gewährung zivilgesellschaftlicher Freiheit gedrungen werden. »Entwicklung braucht Mitsprache und Freiheit«, so Präsidentin Dagmar Pruin bei der Vorstellung des Jahresberichts des evangelischen Hilfswerks.

»Doch dort, wo die Menschen unmittelbar unter den Folgen von Dürre und Lebensmittelknappheit leiden, ist schnelle Hilfe nötig. Elf Millionen Menschen hungern in Afghanistan.« Deutschland und der Westen dürften sich jetzt nicht zurückziehen und die Menschen ihrem Schicksal überlassen. Das Hilfswerk unterstützt nach eigenen Angaben rund 1800 Projekte weltweit mit Schwerpunkten in Afrika, Südamerika und Asien. In Afghanistan selbst ist das Hilfswerk nicht aktiv, allerdings die Schwesterorganisation Diakonie Katastrophenhilfe.

Pruin mahnte am Donnerstag zudem an, die Dauerkrisen auch in anderen Ländern wie etwa im Südsudan nicht aus dem Blick zu verlieren: »Armut, Hunger, die Klimakrise und Corona verstärken einander und lassen immer mehr Menschen zurück.«
Mehr noch als die Pandemie selbst haben im vergangenen Jahr laut Brot für die Welt die strikten Lockdowns die Menschen in den Projektländern des Hilfswerks getroffen: Viele verloren ihr Einkommen. »Was als Schutzmaßnahme richtig und notwendig war, bedeutete für Menschen ohne soziale Absicherung, ohne Kurzarbeitergeld Armut und Hunger«, so Pruin. Zusätzlich beschleunige die Klimakrise Armut und Hunger. Fruchtbares Land gehe verloren, Konflikte um Land und Wasser zwängen ganze Gemeinschaften, ihre Heimat zu verlassen.

Die christliche Organisation hat am Donnerstag außerdem seine Spendeneinnahmen bekanntgegeben. Demnach hat Brot für die Welt 2020 so viele Spenden erhalten wie nie zuvor in seiner Geschichte, insgesamt 76,8 Millionen Euro. Das waren mehr als zwölf Millionen Euro mehr als im Jahr zuvor und das beste Jahresergebnis seit Gründung von Brot für die Welt im Jahr 1959. Allerdings seien die Kollekten von 2019 eingeflossen. Der starke Rückgang an Kollekten im Corona-Jahr werde sich laut dem Hilfswerk der evangelischen Landes- und Freikirchen und ihrer Diakonie erst in der Bilanz 2021 niederschlagen.

Mit Blick auf die Bundestagswahl sagte die Präsidentin des Hilfswerks: »Wir erwarten von der neuen Bundesregierung, dass sie mutig die Weichen stellt für einen sozial-ökologischen Umbau – lokal wie global.« Dazu müssten alle Ressorts künftig stärker an einem Strang ziehen. Die neue Bundesregierung sollte die Dringlichkeit der Klimakrise ernst nehmen. »Die Klimakrise hat dramatische Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit, die Stabilität wichtiger Ökosysteme und die Lebensbedingungen insbesondere der von Armut und Ausgrenzung betroffenen Menschen«, so Pruin. »Sie ist Ausdruck einer globalen Gerechtigkeitskrise.«

Darüber hinaus forderte die Organisation die künftige Bundesregierung dazu auf, nationale, öffentliche Gesundheitssysteme in den Ländern des Globalen Südens zu stärken. Als Lehre aus der Corona-Pandemie sollte sich die Bundesregierung zudem für den Aufbau funktionsfähiger sozialer Sicherungssysteme für die Ärmsten einsetzen. Sie seien der beste Weg, um zu verhindern, dass notwendige Schutzmaßnahmen wie Lockdowns bei einer Pandemie Armut und Hunger verstärken.

Dass die Corona-Pandemie zu einem drastischen Anstieg der weltweiten Armut führt, hatte auch ein Ende 2020 veröffentlichter Bericht der Vereinten Nationen ergeben. Die Mittel für humanitäre Hilfen stünden vor großen Engpässen, so UN-Generalsekretär António Guterres. Im aktuellen Jahr werden im Vergleich zu 2020 40 Prozent mehr Menschen Hilfe benötigen, um Zugang zu Nahrung, Wasser und sanitären Einrichtungen zu bekommen.

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